Die Legende von Shannara 02: Die Herrschaft der Elfen
weiter tun, als meine Fragen zu beantworten.«
Sie holte tief Luft, riss sich zusammen. »Was für Fragen?«
Er lächelte verkniffen. »Nichts Schlimmes. Zum Beispiel würde ich gern wissen, was für eine Art von Magie du besitzt.«
»Gar keine. Ich habe keine magischen Fähigkeiten. Ich bin Fährtenleserin.«
»Oh doch, du besitzt Magie. Ich kann sie spüren. Was das angeht, irre ich mich nie. Was kannst du, was niemand sonst kann, hm? Sag es mir.«
Sie schluckte. Eine Hand schob sie in die Tasche, und ihre Finger schlossen sich um die automatische Waffe. »Ich kann Gefahr spüren. Ich weiß, wann sie mir nahe ist.«
Der alte Mann nickte. »Wirklich? Spürst du sie jetzt auch, an mir, wenn ich dir nahe bin?«
Sie schüttelte den Kopf. »Es funktioniert nicht immer.«
»Welch eine unzuverlässige Gabe! Manchmal hilft sie, und manchmal lässt sie dich im Stich. So wie jetzt zum Beispiel.« Er lächelte wieder, kälter diesmal. »Du solltest besser nicht versuchen, diese Waffe an mir auszuprobieren. Es wird nicht funktionieren. So etwas kann mich nicht verletzen.«
Fieberhaft überlegte sie, was sie tun konnte, wie sie entkommen konnte. Sicher, sie konnte weglaufen, aber welchen Sinn hatte das, wenn sie nicht wusste, in welche Richtung sie sich wenden sollte? »Ich habe nur dein Wort darauf. Aber ich glaube nicht, dass ich dir in irgendeiner Hinsicht glauben sollte. Ich glaube nicht, dass man dir vertrauen kann.«
»Oh, aber man kann mir sehr wohl vertrauen. Ich werde dir genau sagen, was ich machen werde … bevor ich es mache. Solange du mich nicht angreifst. Ist das fair?« Er sah sich um. »Warum gehen wir nicht nach oben und ein bisschen an die Luft? Da draußen ist es erheblich gemütlicher. Und wir können uns dort genauso unterhalten. Vielleicht fühlst du dich dann sogar besser. Fährtenleser leben doch im Freien, hab ich Recht? Hier unten unter diesen endlosen Tonnen von Stein musst du dich doch gefangen fühlen. Oder stimmt das nicht?«
»Ich fühle mich ganz wohl hier, wo ich bin.«
»Das bezweifle ich zwar, aber ganz wie du willst.«
»Warum lässt du mich nicht einfach laufen?«
»Fragen, schon vergessen? Kennst du einen Mann, der einen schwarzen Stab trägt? Ah, deine Miene verrät dich. Du kennst also einen solchen Mann, hab ich Recht? Sag mir, wo er ist. Sag mir, wie ich ihn finde. Dann kannst du deiner Wege ziehen.«
Sider Ament. Er suchte nach dem Grauen. Prue war wütend auf sich, weil sie sich verraten hatte, aber sie vermutete, dass es nicht viel brauchte, um sich zu verraten, wenn man es mit diesem alten Mann zu tun hatte. »Er ist tot«, sagte sie rasch. »Er ist vor über einem Monat getötet worden.«
Der alte Mann schüttelte tadelnd den Kopf. »Du lügst, Mädchen. Wie ungesund. Ich merke es genau, wenn Leute mich belügen. Es ist Zeitverschwendung. Der Mann, der den schwarzen Stab trägt, ist am Leben, und du weißt, wo er ist. Also solltest du es mir jetzt besser sagen, sonst wird die Lage für dich sehr schnell sehr unerfreulich.«
Sie zögerte nur einen Moment, riss dann die automatische Waffe aus ihrer Tasche und feuerte damit auf den alten Mann, bis nur noch ein Klicken zu hören war. Währenddessen war sie bereits losgerannt, stürmte durch die Korridore, raste, um eine Freiheit zu erreichen, von der sie nicht wusste, wie sie sie finden sollte. Sie warf die Waffe achtlos weg und bemühte sich, im Laufen Pfeil und Bogen von der Schulter zu nehmen. Wenn allerdings die Flange 350 den alten Mann nicht hatte aufhalten können, dann gab es auch keinen Grund zu der Annahme, dass Pfeil und Bogen es besser vermochten.
Sie ging das Risiko ein, einen Blick zurückzuwerfen, ob ihr Verfolger irgendwo zu sehen war. Ihr sank der Mut. Eine Gestalt rannte durch die Dunkelheit, hielt mit ihr Schritt und verfolgte sie weit schneller, als jemand, der so alt und gebrechlich zu sein schien, das eigentlich können sollte.
Sie rannte weiter, immer schneller, aber ihre Kraft ließ nach, und sie atmete stoßweise. Der alte Mann kam immer näher. Sie konnte ihm nicht entkommen.
Sie legte im Laufen einen Pfeil auf die Sehne, wirbelte dann unvermittelt herum und feuerte das Geschoss mit der stählernen Spitze direkt auf ihn. Der Pfeil traf seine Brust und prallte unverrichteter Dinge ab. Der alte Mann wurde nicht einmal langsamer.
Dann hatte er sie eingeholt, war so nah, dass sie seine Atemzüge hören konnte. Sie hörte seine Stimme in ihrem Verstand, hörte, wie er sie anschrie. Hör auf zu
Weitere Kostenlose Bücher