Die Legende von Shannara 02: Die Herrschaft der Elfen
Wenn sie jetzt nicht entkam, war sein Opfer umsonst gewesen. Und das würde sie nicht zulassen. Sie konzentrierte sich auf ihre Aufgabe, schob jeden anderen Gedanken beiseite. Die Schlösser befanden sich an der Stelle, die er ihr beschrieben hatte, verborgen in den Spalten zwischen den Steinquadern. Sie machte sich an dem Mechanismus zu schaffen, bis sie das Klicken hörte, mit dem sich die Schlösser öffneten. Dann drückte sie den großen, eisernen Handgriff. Die Tür schwang quietschend auf, und sie trat aus dem Regen heraus in das Innere der Festung und sah sich um. Die solarbetriebenen Handlampen, von denen Inch gesprochen hatte, standen aufgereiht auf einem Regal; sie nahm zwei, schob eine in ihren Gürtel und schaltete die andere an.
Dann zog sie die schwere Metalltür wieder zu und verschloss sie erneut.
Anschließend blieb sie einen Augenblick stehen und starrte sie an, während sie überlegte, ob diese Tür wohl die restlichen Drouj fernhalten konnte. Sie suchte nach etwas anderem, das sie aufhalten würde, aber ganz offensichtlich hatte sie bereits alles getan, was sie konnte. Letztlich war es besser als erwartet, denn es gab ihr die Chance, die sie brauchte.
Jetzt war ihr Plan ganz einfach. Inch hatte ihr gezeigt, wie sie durch die Korridore und Räume des Festungskomplexes zum Hinterausgang gelangte, der sie oberhalb der Gebäude auf die Hänge bringen würde. Von dort aus konnte sie sehen, ob ihr jemand folgte. Er hatte eine Karte in den Dreck gezeichnet, um ihr den Weg zu zeigen. Dann hatte er ihr verraten, nach welchen Zeichen sie suchen musste, damit sie auf dem richtigen Weg blieb. Überall in dem Komplex befanden sich schwere Türen, gewaltige Barrieren mit Schlössern. Sie konnte jede Einzelne von ihnen hinter sich als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme verschließen. Nichts konnte ihr dann folgen. Sie war in Sicherheit. Inch hatte ihr geraten, sie sollte sich mindestens einen oder zwei Tage in der Festung verstecken, bevor sie sich hinauswagte. So wuchs die Chance, dass die Trolle müde wurden, auf ihr Wiederauftauchen zu warten, und ihre Wacht aufgaben. Danach wären ihre Aussichten, unbehelligt ihren Heimweg zu finden, deutlich größer.
Ihr Zuhause. Wie lange war sie schon weg? Zwei Wochen, drei oder mehr? Sie hatte jedes Zeitgefühl verloren. Einen Moment lang dachte sie an Pan, fragte sich, wo er wohl steckte und wie es ihm ohne sie erging. Selbstverständlich würde er krank vor Sorge um sie sein. Aber vielleicht hatte Sider ihm erzählt, dass Deladion Inch versprochen hatte, ihr zu helfen. Dann wusste er wenigstens, dass sie nicht vollkommen auf sich allein gestellt war. Sie hoffte nur, dass er nicht auf die Idee kam, sich auf eigene Faust auf die Suche nach ihr zu machen. Das Schicksal von Deladion Inch hatte nur zu deutlich gezeigt, wie gefährlich eine solche Unternehmung war.
Sie dachte auch darüber nach, ob mittlerweile bereits jemand aus dem Tal den Verrat des heimtückischen Arik Siq entdeckt hatte. Er hatte sie am Anfang alle genarrt, selbst Sider, aber sein Glück konnte nicht ewig anhalten. Ziemlich sicher war er mittlerweile entdeckt und unschädlich gemacht worden. Sollte er jedoch entkommen sein, stand das Schicksal des ganzen Tals auf dem Spiel. Denn er würde die Droujarmee zu den Pässen führen, und die Trolle würden das Tal überschwemmen, ihnen alles wegnehmen, sie töten oder sie vertreiben. Nur, wie sollten sie das verhindern, selbst mit Hilfe von Sider Ament?
Prue stand immer noch da und dachte nach, als sie Stimmen auf der anderen Seite der Tür hörte, tiefe, gutturale Stimmen, die die Stille in der Festung durchdrangen. Trolle. Einige ihrer Drouj-Verfolger lebten noch. Unwillkürlich hoffte sie, dass Grosha nicht unter ihnen war, andererseits machte das auch keinen großen Unterschied. Sie schaltete die Solartaschenlampe aus und blieb regungslos im Dunkeln stehen, während sie lauschte. Die Trolle standen lange draußen, ruckelten am Handgriff, hämmerten gegen die Tür und redeten miteinander. Sie wartete, weil sie nicht wusste, was sie sonst hätte tun sollen.
Schließlich erstarben die Geräusche, als die Trolle sich wieder entfernten.
Prue blieb noch lange dort stehen und wartete darauf, dass sie zurückkamen. Schließlich jedoch begriff sie, dass die Trolle nicht zurückkommen würden, jedenfalls nicht sofort, und beschloss, den Festungskomplex zu erkunden. Sie schaltete die Taschenlampe wieder an und machte sich auf den Weg durch dunkle Korridore,
Weitere Kostenlose Bücher