Die Legende von Skriek 1 - Das Attentat
großes Unrecht! Die Skriek achten alle Wesen. Niemals würden sie mit einem Troll oder Gnom Streit suchen. Selbst den Menschen begegnen sie friedvoll und mit Achtung vor deren Seelen, obwohl sie wissen, dass die Seelen der Menschen klein und kümmerlich sind.
Die Skriek jagen und essen keine Tiere, sei es nun Reh, Wildschwein oder Fisch, sondern sie ernähren sich von Pflanzen, Wurzeln und Kräutern. Ich selbst esse Fleisch. Es hat aber viele Jahre gebraucht, bis ich akzeptierte, dass mein Körper nach gegartem und gekochtem Fleisch verlangt. Dieses Verlangen verdanke ich meinem Vater.
Skriek sind, im Gegensatz zu den Menschen und Riesen, auch über alle Maßen treu. Haben sie einmal ihren Seelenpartner gefunden, bleiben sie ein Leben lang mit ihm verbunden.
Der Seelenpartner meiner Mutter hieß Soltanisono. Er war von hohem, schlankem Wuchs und hatte wie jeder Skriekmann breite Schultern und dunkelblaue Schuppen. Seine Augen waren golden, und meine Mutter erzählte mir einst, dass sie sich zuerst in seine Augen verliebte. Das erste Mal trafen sie sich vor über dreißig Jahren an den Hängen des Taltorron. Soltanisono kam mit seiner Sippe einen schmalen Weg entlang. Meine Mutter und ihre beiden Schwestern saßen auf einem großen Fels und spielten mit ihren Knochenflöten eine alte Weise. Soltanisono hielt an und lauschte der Melodie. Nach einer Weile trat er vor meine Mutter, grüßte höflich und sah ihr lange in die Augen.
Meine Mutter erzählte mir oft, dass sich in diesem Moment ihre Seelen berührt hatten. Lächelnd kletterte sie vom Fels und ergriff seine krallenbewehrte Hand. Das war der Beginn ihrer Liebe. Viele Monde zogen Soltanisono und meine Mutter durch die Länder des allunischen Kontinents. Sie durchstreiften Wälder und Auen, Steppen und Ebenen, aber am liebsten waren ihnen die verschlungen Bergpfade Masturiens. Sie fertigten Knochenflöten, aßen Pilze und Knollen, tranken edle Weine, suchten nach Silber und liebten sich inniglich. Nach zwei Jahren war die Zeit des gegenseitigen Erkennens endlich vorbei und Soltanisono und meine Mutter wollten ihren ewigen Bund vor Bahluna zelebrieren. Meine Mutter zog sich in eine Klause des Masturischen Waldes zurück, band einen Kranz aus Wiesenblumen, spielte ihre Knochenflöte und wartete. Sie war aufgeregt und glücklich. Und sie spürte, dass ihr Leib bereit war, zu empfangen. In ein, zwei Monden würde neues Leben in ihr heranwachsen.
Soltanisono ging währenddessen zu den Kathlonischen Furten, um dort nach Silber zu suchen, das er meiner Mutter schenken wollte. So war es Brauch bei den männlichen Skriek, wenn sie sich mit ihrer Seelenpartnerin auf ewig verbinden wollten. Die Höhlen rund um die Kathlonischen Furten waren bekannt für ihren Silberreichtum. Man wusste aber auch, dass dort entflohene telberische Soldaten ihr Umwesen trieben und auf der Suche nach Sklaven für die vinbonischen Märkte waren. Soltanisono schreckten diese Gefahren aber nicht. Er wollte so viele Silberstücke wie möglich für meine Mutter finden. So tief ging seine Liebe zu ihr, dass er kein noch so großes Risiko scheute.
Die Skriek sind das wundervollste Volk unter der Sonne, aber ich sagte es schon, sie haben leider kein Talent zum Überleben. Kurz bevor Soltanisono die Kathlonischen Furten erreichte, stieß er auf drei telberische Soldaten. Sie zogen ohne Vorwarnung ihre Schwerter und hielten sie an Soltanisonos Hals. Er wusste, was das bedeutete: Gefangenschaft und Sklaverei!
Soltanisono dachte an meine Mutter und spürte die unendliche Liebe, die er für sie empfand, tief in seinem Herzen. Er konnte ohne sie nicht leben. Daher beschloss er zu kämpfen. Aber auch wenn er viel größer und stärker als die menschlichen Soldaten war, so war er in seiner Seele doch vor allem ein Sänger und Künstler und im Kampf völlig unerfahren. Es gelang ihm zwar mit einem raschen, kraftvollen Hieb einem Soldaten mit seinem Holzstab den Schädel einzuschlagen, als er jedoch die gebrochenen, toten Augen des Menschen sah, erfüllte Trauer seine Seele und er zögerte. Diesen Moment nutzten die beiden anderen Soldaten, um ihre Schwerter in seine Brust zu treiben. Soltanisono starb mit einem lauten Ruf nach meiner Mutter. Dann entschwebte seine Seele zu Bahluna.
So eng und innig waren die Seelen meine Mutter und ihres Geliebten verbunden, dass sie den Augenblick seines Todes unmittelbar miterlebte. Und sogar seinen verzweifelten Ruf nach ihr vermeinte sie zu spüren. Tiefe, schwarze
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