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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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eines Drenai-Bogenschützen, der noch immer seinen Bogen umklammerte. Ogasi kniete nieder, entriß der leblosen Hand den Bogen und zog einen schwarzschäftigen Pfeil aus dem Köcher. Leichtfüßig sprang er auf die Brustwehr und hielt nach Todeswanderer Ausschau, doch der alte Mann war in der Mitte und wurde von Nadir verdeckt. Nicht aber der große Berserker - die Männer fuhren vor ihm auseinander. Ogasi legte den Pfeil auf die Sehne, spannte den Bogen, zielte und schoß mit einer leisen Verwünschung.
    Der Pfeil streifte Reks Unterarm - und flog weiter.
    Virae drehte sich suchend nach Rek um, und der Pfeil drang durch ihr Kettenhemd und grub sich unter ihrer rechten Brust ins Fleisch. Sie stöhnte bei dem Aufprall, taumelte und stürzte halb. Ein Nadir-Krieger durchbrach die Linie und rannte auf sie zu.
    Sie biß die Zähne zusammen und richtete sich halb auf, blockierte seinen wilden Angriff und schnitt ihm rückhändig die Kehle auf.
    »Rek!« schrie sie. Panik stieg in ihr auf, als ihre Lungen zu sprudeln begannen, weil sie das Blut aus den Arterien aufnahmen. Aber er konnte sie nicht hören. Schmerz breitete sich aus, und sie fiel, ihren Körper so drehend, daß der Pfeil nicht noch tiefer eindringen konnte.
    Serbitar lief zu ihr und hob ihren Kopf.
    »Verdammt!« sagte sie. »Ich sterbe.«
    Er berührte ihre Hand, und sofort schwand der Schmerz.
    »Danke, mein Freund! Wo ist Rek?«
    »Er ist jetzt in der Berserkerwut, Virae. Ich kann ihn nicht erreichen.«
    »Oh, ihr Götter! Hör mir zu - laß ihn eine Weile nach ... du weißt schon ... nicht allein. Er ist ein großer romantischer Esel, und ich fürchte, er könnte etwas Dummes tun. Verstehst du?«
    »Ich verstehe. Ich werde bei ihm bleiben.«
    »Nein, nicht du. Schicke Druss - er ist älter, und Rek verehrt ihn.« Sie wandte ihren Blick gen Himmel. Eine einzelne Sturmwolke schwebte dort, verloren und zornig. »Er hat mich gewarnt, ich solle eine Brustplatte tragen -aber sie ist so verdammt schwer.« Die Wolke schien ihr jetzt größer - sie versuchte, es Serbitar zu sagen, aber die Wolke wurde bedrohlich, und Dunkelheit verschlang sie.
    Rek stand auf dem Balkon, umklammerte das Geländer. Tränen liefen ihm übers Gesicht, und unkontrollierte Schluchzer entrangen sich seinen zusammengebissenen Zähnen. Hinter ihm lag Virae, still, kalt und friedlich. Ihr Gesicht war weiß, ihre Brust rot von der Wunde, die eine Lunge durchbohrt hatte. Das Blut hatte aufgehört zu fließen.
    Mit schaudernden Atemzügen versuchte Rek, seinen Kummer zu kontrollieren. Blut tropfte aus der Wunde aus seinem Unterarm, die er ganz vergessen hatte. Er rieb sich die Augen und wandte sich wieder dem Bett zu; er setzte sich neben sie, hob ihren Arm und suchte den Puls. Vergeblich.
    »Virae!« sagte er leise. »Komm zurück. Komm zurück. Hör mir zu. Ich liebe dich! Du bist die Eine.« Er beugte sich über sie und betrachtete ihr Gesicht. Eine Träne erschien dort, dann noch eine ... Aber es waren seine eigenen. Er hob ihren Kopf und barg ihn in seinen Armen. »Warte auf mich«, flüsterte er. »Ich komme.« Er fingerte an seinem Gürtel herum, um den lentrischen Dolch aus der Scheide zu ziehen, und setzte ihn an sein Handgelenk.
    »Leg ihn weg, Junge«, sagte Druss von der Tür her. »Es wäre sinnlos.«
    »Raus!« schrie Rek. »Laß mich!«
    »Sie ist nicht mehr, mein Freund. Deck sie zu.«
    »Sie zudecken? Meine Virae zudecken? Nein! Nein, das kann ich nicht. Ach, ihr Götter von Missael, ich kann ihr Gesicht nicht zudecken.«
    »Ich mußte es auch einst tun«, sagte der alte Mann, als Rek nach vorn sank. Tränen brannten in seinen Augen, und lautlose Schluchzer schüttelten ihn. »Meine Frau ist gestorben. Du bist nicht der einzige, der sich dem Tod stellen muß.«
    Lange Zeit stand Druss schweigend in der Tür; das Herz war ihm schwer. Dann schloß er die Tür und kam herein.
    »Laß sie eine Weile und rede mit mir, Junge«, sagte er und nahm Rek beim Arm. »Hier, am Fenster. Erzähl mir noch einmal, wie ihr euch kennengelernt habt.«
    Und Rek erzählte ihm von dem Überfall im Wald, vom Tod Reinards, von ihrem Ritt zum Tempel und der Reise nach Delnoch.
    »Druss!«
    »Ja.«
    »Ich glaube nicht, daß ich damit leben kann.«
    »Ich habe Männer gekannt, die es nicht konnten. Aber du brauchst dir nicht die Adern zu öffnen. Da draußen ist eine ganze Horde von Stammeskriegern, die das gern für dich übernehmen.«
    »Sie sind mir völlig egal - sie können den verdammten Ort haben.

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