Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)
Entrüstungssturm, der um sie herum losbrach. Lanfried ist ein Idiot. Er war schon immer machtgierig, aber dass er die Zeit der Not dazu nutzt, sich an den Thron zu klammern, ist schäbig. Sie war gespannt, ob die Adligen nun plötzlich Soldaten entbehren konnten, um den alten König aus dem Amt zu jagen. Ich werde mich nicht für ihn aussprechen.
Walunbert beruhigte die aufgebrachten Gemüter mit beschwichtigenden Armbewegungen. »Es ist sein Recht«, rief er durch den Tumult. »Sammelt Euch und hütet Eure Zungen. Jemand beriet ihn sehr gut, was die Gesetze angeht.« Er rieb sich am Kinn entlang. »Doch wir wissen alle, wie sehr er danach trachtet, diesen Titel für längere Zeit zu tragen.«
»Es wird uns mehr als zehn Zyklen kosten, bis wir die Horden des Bösen aus dem Geborgenen Land vertrieben haben«, gab Brewart zu bedenken. »Damit wäre Lanfried bei seinem fortgeschrittenen Alter ein König auf Lebenszeit.«
»Und er würde seinen Titel im Todesfall an seinen Nachkommen weitergeben, gemäße dn Gesetzen«, fügte Tarslok betont ruhig hinzu und steckte die Hände in die weiten Ärmelöffnungen, als würden sich darin Waffen befinden, die er notfalls zu ziehen vermochte. »Das wurde bereits bedacht.«
Artaina sah sich blitzschnell um, aber dieses Mal brach nichts los. Kein Sturm, nicht einmal ein leiser Wind. Die Adligen waren zu fassungslos. Welcher Gott auch immer Lanfried diesen Gedanken gab, er muss einen Hang zur Zwietracht haben.
Tarslok lockerte die Arme und räusperte sich in die hohle Hand. »Gut. Dann überbringe ich König …«
»Halt! Nicht so schnell, bleiches Gespenst!«, fiel ihm Brewart ins Wort. »Ich schlage Fürstin Artaina aus dem Hause Aeghor als Urgons neue Königin vor.«
Tarsloks Augen wurden schmal. »Bevor sich ein Edelmann oder eine Edelfrau auf seine Seite stellt: Bedenkt, was es zur Folge hätte, wenn Ihr gemeinsam darüber befindet.«
Walunbert lehnte sich nach vorne. »Welches Ziel verfolgt Lanfried?«
»Was meint ihr?« Tarslok blickte irritiert.
»Ich denke, dass der König mit einem Aufstand gegen sich rechnet, sofern er seinen Verstand nicht verlor.« Walunbert musterte Tarslok. »Ihr habt mit ihm gesprochen. Also: Lasst uns Eure Meinung hören.«
Alle Blicke richteten sich auf den dürren Mann, die meisten davon sprühten vor Hass.
»Das … darf ich nur verkünden, wenn Ihr ihn in seinem Amt bestätigt«, wand er sich und wich einen kleinen, kaum merklichen Schritt zurück vor der Wut, die ihm entgegenschlug.
»Wenn wir ihn im Amt belassen, besitzt er weiterhin Königsmacht und führt etwas im Schilde, zu dem wir ihm erst verhalfen. Sprechen wir sie ihm ab, nimmt er sich die Macht und geht gegen uns vor. So sieht es zumindest für mich aus«, fasste Brewart zusammen, dessen Hemd sich unter den Achseln dunkel vom Schweiß färbte.
Herton nickte zustimmend. »So bleibt es dabei: Ich unterstütze den Vorschlag, dass Artaina …«
»Einen Moment«, unterbrach ihn Walunbert und sah Tarslok eindringlich an. »Tarslok vom Haus Tarslok, ich kenne dich viele Zyklen. Du warst mehr als einmal Gast in meinem Haus, als Kind und als junger Mann. Daher bitte ich dich, um der alten Zeiten willen: Eröffne uns, was Lanfried plant. Es geht um Urgons Wohl!«
Tarslok rang mit sich. »Ich würde zum Verräter werden.«
»Dazu wurdet Ihr, als Ihr Euch auf die Seite des Wahnsinnigen schlugt. Das Zurückwechseln schützt euch eher«, sprach Brewart leise vor sich hin und legte die rechte Hand stützend an die feuchte Schläfe.
Artainas Nackenhärchen kribbelten. Ihr wurde schlagartig kalt, obwohl die Sonne durch die Fenster hereinfiel. Die Stimmung änderte sich ihrem Empfinden nach von Herzschlag zu Herzschlag. Sie erkannte nun pure, reine Angst in Tarsloks Augen. Er fürchtet mehr als nur die Rache eines abgesetzten Königs.
Der junge Adlige setzte sich wieder auf seinen Stuhl. »Ich … kann es nicht«, raunte er. »Entscheidet, was Ihr tun wollt.«
Walunbert zog die schwarzen Augenbrauen zusammen. »Erpresst Euch Lanfried? Hat er Eure Familie in Gewahrsam nehmen lassen?«
Tarslok sah auf einen Rotweinfleck auf dem hellen Tisch und schwieg, dann sah er langsam zu Artaina.
Die junge Frau musste einen Schauder unterdrücken. Spiegelt sich Mitleid in seinen Augen? Wieso? Oder ist es Schuld? Sie wurde nicht schlau aus seiner Miene.
»Verflucht noch eins! Dann will es der alte Tor nicht anders«, polterte Brewart und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Mein Vorschlag
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