Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)
größte Moment der Unendlichkeit wurde zugleich der dunkelste für die Albae.
Samusin vernahm das Leid der Albae, sah, wie es Argôlor ergangen war und auf welch schäbige Weise die Elben seinen Tod herbeigeführt hatten.
Er hielt des Kriegers Seele davon ab, in die Endlichkeit zu ziehen, und sprach zu ihm: »Wenn du gewillt bist, in der Unendlichkeit zu verweilen und zugleich die Schmerzen zu ertragen, die in deinem Herzen wohnen, so sollst du leben. Doch solltest du die Pfeile entfernen und dein Blut sie nicht mehr umspülen, wirst du tot danieder sinken.«
Argôlor öffnete die Augen und keuchte vor Qualen – doch er erhob sich, brach die Schäfte der Pfeile ab und kehrte zu seinem Heer zurück, das ihn mit lautem Jubel begrüßte.
Der Krieger zog wieder in die Schlachten und kämpfte für die Unauslöschlichen, als fühle er keine Schmerzen.
Doch die Pfeile schnitten grausam in sein Herz.
Bei jedem Atemzug peinigten sie ihn, bei jeder Bewegung quälten sie ihn und sogar im Schlaf versetzten sie ihm entsetzliche Stiche.
Aber Argôlor widerstand dem Drang, sich davon zu befreien.
Als er nun einmal wieder ins Gefecht zog, begab es sich, das ihm die Schwerter an den vielen Schilden, die er spaltete, und den Waffen, die er zerteilte, zerbrachen. Er warf die Splitter fort und sah sich plötzlich einem Riesen gegenüber, mit nichts in den Händen, um den Hals des Scheusals zu zerschneiden.
Als es zu wüten begann, erinnerte sich Argôlor an die drei Pfeile.
Ob zwei oder drei, es ist einerlei, sagte sich der Krieger und zog sich einen Pfeil mit bloßen Händen aus dem Herzen.
Welch Wohltat es war, von einem Stück elbischen Stahls erlöst zu sein!
Mit der Spitze in der Hand sprang er in die Höhe, erklomm den Riesen und schlitzte ihm die Kehle auf, sodass das Blut sprühte und der Gegner sterbend niedersank.
Und man feierte den Krieger erneut als großen Helden.
Bald befand sich Argôlor mit seinen Truppen auf dem Kriegszug gegen die Elben. Sie überrannten eine Vorhut, um zu verhindern, das sie das Hauptheer vor den anrückenden Albae warnten.
Aber einer entging ihren Klingen, feige schlich er sich davon, und nur ein Pfeil konnte ihn noch erreichen.
Doch die Schützen hatten alle ihre Köcher leergeschossen.
Ob zwei oder eins, es ist einerlei, sagte sich Argôlor und zog sich die nächste Spitze mit bloßen Händen aus dem Herzen.
Welch Wohltat es war, von einem weiteren Stück elbischen Stahls erlöst zu sein!
Er nahm einen Stock und befestigte die Spitze daran, bog einen Ast und verknotete an ihm ein Mähnenhaar des Nachtmahrs – und sandte dem Elben den Pfeil nach.
Argôlor erlegte den feigen Gegner, die Warnung gelangte niemals zum Hauptheer, das bald darauf von den Albae angegriffen und vernichtend geschlagen wurde.
Den Krieger aber feierte man erneut als großen Helden.
So begab sich Argôlor zurück nach Dsôn und in die Arme seiner Gefährtin, um sich von den Anstrengungen auszuruhen. Mit weniger Pein als sonst in der Brust sank er auf dem Bett nieder und schlief sofort ein.
Seine Gefährtin jedoch ließ den besten Heiler des Albareichs kommen, um Argôlor helfen zu lassen.
Während der Krieger schlief, befreite ihn der Heiler von der letzten Spitze.
Argôlor riss im selben Moment die Augen auf und erkannte den Irrtum.
»Gräme dich nicht«, rief er seiner Gefährtin sterbend zu. »Du wusstest nicht, dass ich nur lebe, solange eine Spitze von meinem Blut umspült ist.«
Dann verging er.
Doch seine Gefährtin wusste Rat.
»Wenn dies der Preis ist, dann ist er leicht zu geben.« So nahm sie die Pfeilklinge und öffnete eine Ader in Argôlors Hand, sodass sein Blut in eine Schale rann.
Als sich genug vom Lebenssaft darin befand, gab sie die Spitze hinein und verband die Wunde mit einem Tuch.
Sogleich öffnete Argôlor erstaunt die Augen. Und als er erkannte, was seine Gefährtin getan hatte, um ihn vor der Endlichkeit zu bewahren, schloss er die kluge Albin in die Arme und zog sie dicht an sich. Denn die Auflage des Gottes blieb erfüllt.
So kam es, dass Argôlor von Splitter zu Splitter etwas von seinem Blut in die Schale gab, damit die Elbenpfeilspitze stets damit bedeckt war, um danach hinaus auf das Schlachtfeld zu reiten und für die Unauslöschlichen zu kämpfen.
Und da die Endlichkeit ihn verschonte, so reitet er fortwährend von Gefecht zu Gefecht.
Seine Gefährtin aber wurde Priesterin von Samusin, um seine Güte zu loben und die Albae daran zu erinnern, wie groß die
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