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Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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war: Artaina wird Lanfried im Amt für vier Zyklen nachfolgen, wie es die Gesetze verlangen. Und dabei bleibe ich. Wenn der alte Trottel sieht, dass wir uns nicht einschüchtern lassen, räumt er von selbst den Thron. Darauf wette ich.«
    Artaina konnte den Blick nicht vom bleichen Tarslok lösen, der unvermittelt und kaum merklich die Lippen bewegte und lautlos »Lehnt ab!« formte.
    »Fürstin, nehmt Ihr an?«, vernahm sie Walunberts Stimme.
    Sie zögerte.
    Herton lachte auf. »Da haben wir es! Die Drohungen der Bohnenstange zeigen Wirkung.«
    »Wenn ich mich vor etwas fürchten würde«, entgegnete sie, ohne den Kopf zu wenden, »hätte ich keinen Zug gegen die Trolle vorgeschlagen.« Tarslok wiederholte seine stumme Botschaft, seine Blick war flehend. »Ich werde mich gegen Lanfried stellen und das Recht befolgen.«
    Der dürre Adlige schloss die Augen. Er ließ sich ins Polster sinken und legte die Hände offen in den Schoss.
    »Ich stimme für die Fürstin.« Markîl hob den Arm; die übrigen Anwesenden votierten ebenso. Nur Tarslok enthielt sich.
    Walunbert atmete erleichtert aus und sah zu Artaina, deutete eine Verbeugung an. »Dann ist es mir eine Freude, Euch zur Eurem Titel zu …« Er stockte und sah die junge Frau an, die aufrecht an ihrem Platz verharrte, die Augen weit aufgerissen und die Lippen leicht geöffnet.
    Aus ihrem rechten Mundwinkel sickerte helles Blut, das über das Kinn rann und auf ihre kostbare Samtgarderobe tropfte. Die Pupillen waren gebrochen, das Leben hatte die Fürstin bereits verlassen.
    Die Versammelten sprangen auf und riefen wild durcheinander.
    Walunbert sah zu Tarslok, der auf dem Stuhl verharrte und die Lippen zusammenpresste. »Welches Schurkenstück geht hier vor sich?«
    »Das Gespenst hat sie umgebracht!«, schrie Herton außer sich, zog sein Messer und schleuderte es nach dem dünnen Adligen, bevor ihm jemand in den Arm fallen konnte.
    Die wirbelnde Klinge schien jedoch mitten im Flug die Richtung zu wechseln oder von einem unsichtbaren Gegenstand abzuprallen; die Spitze bohrte sich ungefährlich ins Holz des Fensters hinter Tarslok.
    »Seid still! Alle!« Brewart hatte sich der Leiche der jungen Frau genähert und betrachtete sie genau, dann deutete er auf den Leberfleck, den sie am Hals trug. »Hier ist etwas.«
    Mit spitzen Fingern zog er einen fast haardünnen Metallstift aus dem Fleisch, an dessen Spitze die Reste von hauchdünnem Glas hafteten. Beim Eindringen in den Leib musste es zersplittert sein. Er hielt es hoch, sodass alle den Fund sahen.
    »Woher kam es?« Walunbert blickte sich um. »Der Mörder muss hier im Raum sein!«
    »Unter uns«, führte Herton fort und starrte Tarslok noch immer an; die Rechte lag an seinem Schwertgriff, die Knöchel standen weiß hervor.
    Walunbert forderte die Versammlung auf, sich wieder an den Tisch zu setzen. Seine Augen richteten sich auf die Tote. »Wir trauern um Artaina«, begann er, »doch noch eine andere Erkenntnis erfüllt mich mit Schrecken: Wird es jedem so ergehen, den wir als neuen König oder neue Königin benennen?«
    »Ich fürchte ja«, erwiderte Tarslok mit belegter Stimme, als wären die Worte an ihn gerichtet gewesen.
    Brewart legte den schmalen Pfeil auf den Tisch, die Spitze zeigte anklagend auf den jungen Adligen. »Sieh, zu wem Ihr gehört: Ein feiger Mörder ist Euer Herr«, spie er aus.
    »Ein Mörder? Gab es Zeugen? Ihr wart im gleichen Raum, doch sah niemand etwas. Und ich rate Euch«, raunte Tarslok mehr, als er sprach, »seid feige und wartet auf Zeiten, in denn wir es uns leisten können, aufzubegehren und der Tod nicht in jedem Schatten lauert.«
    Während er sprach, wurde es dunkler im Raum, als löschten seine Worte das Licht.
    Die Flämmchen um die Dochte zuckten aufbegehrend und schrumpften, während finstere Tentakelarme hinter dem Stuhl des dünnen Adligen hervorschnellten und auf jeden Mann am Tisch zustießen – um sich von einem Herzschlag auf den nächsten aufzulösen. Die Lampen brannten unvermittelt mit bekannter Helligkeit.
    Den Versammelten war klar, wem sie diese Zurschaustellung von unheimlicher Macht verdankten, auch wenn niemand deren Quelle zu Gesicht bekam.
    Walunbert fühlte das Grauen, das sein Innerstes erfasste und es mit eisiger Klaue packte. Nur langsam ließ es sich abschütteln, und es dauerte, bis er seine Stimme wiederfand und sich zu rühren vermochte. »Lang lebe König Lanfried«, sagte er freudlos und senkte den Kopf.

    »Und sie alle beugten sich?« Lanfried

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