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Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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erachtetest.« Er wandte sich um und humpelte davon.
    »Du«, sprach der Meistermörder zu Gàlaidon, »wirst noch heute wie die anderen aufbrechen und Dsôn Faïmon verlassen.« Er sah in die Runde. »Zieht nach Ishím Voróo, übersteht ein zehntel Teil der Unendlichkeit und bringt mir zehn verschiedene Andenken mit, die beweisen, dass ihr euch mit Bestien und Scheusalen gemessen habt.«
    Weïdori neigte den Kopf. »Verzeih mir, doch meine Familie wird sich sorgen. Sie denkt, ich diene in Dsôns Garde.«
    »Ich werde sie in Kenntnis setzen, dass ihr einen besonderen Auftrag erhalten habt, sodass sie euch mit offenen Armen und Stolz bei eurer Rückkehr empfangen werden«, erklärte er und wandte sich ab. Das schwarze Tionium seiner Rüstung schimmerte. »Im Aufenthaltsraum erwarten euch Rucksäcke mit Ausrüstung. Alles, was ihr sonst noch benötigt, müsst ihr euch in Ishím Voróo besorgen.« Virssagòn warf jedem einen letzten Blick zu, dann schritt er über den Platz und verschwand hinter einer Mauer.
    Die Albae blieben stumm. Es war zu viel geschehen, jeder von ihnen schien seine Gedanken zu ordnen. Aber alle hatten verstanden: Für sie ging die Ausbildung vorerst weiter.
    Weïdori verließ die kleine Versammlung als Erste, ohne die anderen anzuschauen.
    Was mache ich mit der Leiche? Gàlaidon musste sich gegen eine halb eingestürzte Mauer lehnen. Er spürte seinen Körper nicht mehr und vermochte nicht, seinen Triumph auszukosten. Ich sollte mir wenigstens einen Knochen als Talisman mitnehmen.
    Phainòri trat vor ihn und legte den Kopf leicht schief. Ihre dunkelblauen Augen, die fast schwarz anmuteten, verströmten Todeskühle. »Solltest du lebend aus Ishím Voróo zurückkehren«, wisperte sie, »werde ich dich töten, Gàdion.« Sie deutete auf den Toten. »Ich kannte ihn, und er war mir stets ein guter Freund. Er nahm unglaubliche Entbehrungen auf sich, um so gut zu werden, dass ihn Virssagòn erwählte.«
    »Nicht gut genug«, hielt Gàlaidon dagegen. »Ich brachte ihn nicht absichtlich um.«
    »Dir stand es nicht zu, sein Tod zu sein. Und was du dir herausnimmst, vermag ich schon lange.« Phainòri legte ihm die Hand auf die Brustmitte. Ihre Hand war warm auf seiner kalten Haut. »Ich gelobe, dass ich dich töten werde, wer immer du bist.«
    »Dann wärst du eine Zhartài.«
    »Vielleicht möchte ich das? Und du wärst der Anfang auf einer langen, langen Liste.« Die Albin nahm zärtlich ihre Finger von ihm. »Tue mir den Gefallen und kehre zurück.« Sie ließ ihn stehen und ging lautlos davon.
    Gàlaidon gelang es endlich, seine Gedanken zu festigen und zu formen: Er würde seine liebste Ahisiá entbehren und Gefahren überstehen, in seine Heimat zurückkehren – und dort mit dem Tode rechnen müssen.
    Phainòri wird sich wundern. Er atmete trotz der schmerzenden Rippen tief ein. Weder wird sie mich umbringen noch eine Zhartài werden. Gàlaidon sah auf Odaikàlor, sein Mund verzog sich. Ich habe nicht viel Zeit, mir ein Andenken zu nehmen.
    Mühsam setzte er sich in Bewegung und taumelte auf den Leichnam zu, hob die Eisenstange dabei auf. Sie war an einer Seite schartig genug, um damit Haut zu zerschneiden.

    Ishím Voróo (Jenseitiges Land), Albaereich Dsôn Faïmon, Strahlarm Kashagòn, 4370. Teil der Unendlichkeit (5189. Sonnenzyklus), Frühwinter
    Gàlaidon hatte den Wassergraben passiert und ritt mit einem Feuerstier, den ihm der Benàmoi der Inselfestung umgehend zur Verfügung gestellt hatte, durch das Albaereich, um zu Virssagòn zu gelangen; über dem breiten hinteren Rücken des Tieres hingen drei vollgepackte Satteltaschen, in denen er die Mitbringsel transportierte.
    Alles andere an Ausrüstung und Kleidung hatte er noch vor dem Betreten der Brücke im tiefen Graben versenkt. Es sollte nicht nach Dsôn Faïmon gelangen und es verunreinigen. Sogar die schlichte Soldatenkleidung, die er nach einem raschen Bad angelegt hatte, stammte von der Inselfestung.
    Es kümmerte Gàlaidon nicht, ob er als Erster bei dem Meistermörder eintraf. Denn er war sich sicher, die wertvollsten Andenken aus Ishím Voróo mitzubringen.
    Der Auftrag hatte gelautet, zehn Beweise vorzulegen, dass man mit allen möglichen Scheusalen in der Ödnis gerungen habe.
    Gàlaidon hatte sich mit unzähligen Bestien und Ausgeburten der Boshaftigkeit und Niedertracht angelegt, die Tion ersonnen hatte.
    Dabei machte er einen großen Bogen um die Barbaren. Sich mit ihnen zu messen galt so viel wie sich mit Kindern zu prügeln.

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