Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)
Sie bedeuteten erst in großer Stückzahl eine Herausforderung, weil sie gerne in großen, ungeordneten Pulks angriffen. Das machte es notwendig, die Hiebe schnell und genau zu führen, ohne zu viel Wucht hineinzulegen und Gefahr zu gehen, dabei Kraft zu verlieren. Doch sie bedeuteten keine Prüfung für einen Krieger.
Nach einem Ausflug zu den gnomartigen Fflecx, denen es nicht gelungen war, ihn mit ihren vergifteten Pfeilen zu treffen, hatte Gàlaidon einen Botoiker herausgefordert und wäre ihm beinahe unterlegen gewesen. Er hatte die Macht des magischen Volkes unterschätzt, das in der Lage war, sich den Geist anderer Lebewesen untertan zu machen.
Und doch bildeten Fflecx- und Botoikerschädel lediglich den Auftakt zu weiteren Überraschungen.
Ich freue mich auf die staunenden Augen meiner Mitstreiter. Gàlaidon jagte die Straße entlang und hielt auf die Grenze des Strahlarms zu. Unter dem Hemd pendelte sein Talisman gegen die Brust: ein Fingerknochen von Odaikàlor, unterwegs in Form geschnitzt, sodass das Gebein nun die Form eines Dolches trug.
Nach einigen Meilen griff er in die Tasche und zog die sonnengebleichte, zerschlissene schwarze Stoffmaske hervor, die er in den vergangenen Momenten der Unendlichkeit getragen hatte. Nur für die erlegten Gegner nahm er sie ab, um ihnen in die brechenden Augen zu schauen und sie wissen zu lassen, wie ihr Tod hieß und wie er wahrlich aussah.
Gàlaidon legte die Maske an, um sein Antlitz niemandem zu weisen, und passierte etliche kleinere Festungen, in denen Krieger und Gardisten ausgebildet wurden.
Auch die Goldstählerne Schar lebte in diesem Strahlarm, die legendären Kämpfer der besonderen Einheit, in der jeweils gleichgeschlechtliche Liebespaare dienten. Es gab kein stärkeres Band als das Gefühl für einen anderen Alb. Sie taten alles, um das Leben ihres Geliebten oder ihrer Geliebten zu bewahren und vollbrachten dadurch im Feld wahre Wundertaten. Gàlaidon erinnerte sich an die Geschichte des Paares, das alleine in einer Schlacht eintausend Gegner fällte, ehe es der Heimtücke zum Opfer fiel.
Er dachte an Ahisiá, und sein Herz schlug rascher. Ich sehne mich nach ihr. So sehr. Sie einen zehntel Teil der Unendlichkeit weder sehen noch hören, geschweige denn berühren zu dürfen, bedeutete die allergrößte Entbehrung. Aber zuerst zu Virssagòn.
Er lenkte den Feuerstier auf den Seitenweg, der ihn durch einen dichten Wald und geradewegs auf den Wehrhof des Meistermörders führte.
Der viereckige Bau von hundert mal hundert Schritten erinnerte an eine Burg, doch waren die Mauern nichts anderes als die Außenwände der Gebäude. Auf dem gewaltigen Innenhof übten die Anwärter gemeinsam mit den Veteranen; bei Bedarf wurden Stellwände errichtet, um den Platz in kleinere Parzellen aufzuteilen. Auf den Dächern flatterten Fahnen im Wind, das leise Schlagen von Trommeln lag in der Luft. Jenseits des Wehrhofs lagen die Ruinen, die aus dem Bauschutt größerer Gebäude angelegt worden waren.
Gàlaidon ritt durch das offene Tor. Der Feuerstier schnaubte wegen der ungewohnten Umgebung und den Gerüchen. Er orientierte sich mit einem Schwenk des breiten, hornbewehrten Kopfes. Der Kampf lag diesen Tieren im Blut, sie rechneten stets mit einem Angriff oder einem Befehl zur Attacke. »Ruhig«, zischte Gàlaidon und ließ den Stier in einen langsamen Trott verfallen.
Auf dem hinteren Teil des Hofs übten Veteranen mit Speeren, einige von ihnen sahen zu dem Neuankömmling, ohne ihr Tun zu unterbrechen. Die Trommelschläge dienten einer zweiten Gruppe bei der Körperertüchtigung: Mit jedem Signal mussten sie schwere Steine anheben, über den Kopf stemmen und wieder absetzen.
Gàlaidon ritt auf das verzierte Hauptgebäude zu, dessen Eingang in zwei Schritt Höhe lag und der nur über eine beinerne Treppe zu erreichen war. Ein überdachter Balkon ermöglichte, von dort auf die Übenden im Hof zu schauen. Jedes Stück Knochen, jeder Schädel an der Hausfront stammte von Feinden, die Virssagòn getötet hatte. Die Sammlung war stattlich. Sie zog sich über die gesamte Breite, ergab durch die Anordnung Ornamente und Symbole, die wundervoll anzuschauen waren. Die besten Schnitzer waren dem Meistermörder gerade gut genug gewesen.
Während sich Gàlaidon dem Gebäude näherte, erklang eine Fanfare, die seine Ankunft allen verkündete.
Die gewaltige, nicht minder prächtige Tür aus gedunkeltem Gebein schwang auf, und heraus trat Virssagòn in seiner nietenbesetzten,
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