Die Legenden der Albae: Tobender Sturm (Die Legenden der Albae 4) (German Edition)
nutzte ihn als Gehstab. Wenn er den Ausdruck auf ihrem Gesicht richtig deutete, schien sie alles andere als begeistert zu sein.
Es dauerte, bis sie durch die Überreste der Krieger marschiert waren. Die Hosenbeine und Gewandsäume hatten sich mit Feuchtigkeit vollgesogen, das Blut zog sich am Stoff hinauf und drückte sich in die Nähte der Schuhsohlen. Das schöne dunkelblau-silberne Gewand der blonden Irïanora und sie selbst starrten vor Schmutz. Einzig Nodûcors leichte, schwarze Lederrüstung schien ohne Makel.
Aiphatòn bemerkte es erst, als die Botoikerin vor ihm stand. Sie ließ meine Ketten fallen, an denen sie mich üblicherweise hält.
Seine Freude ließ sich kaum verbergen. Umgeben von drei Ghaistwesen und in Erinnerung an die unglückliche Tanôtaï unterließ er jedoch den Versuch, seinen Speer sofort an sich zu reißen und anzugreifen. Anstatt sie zu attackieren, deutete er eine unterwürfige Verbeugung an.
»Wage es nicht, mir zu meinem Sieg zu gratulieren«, kam es ihr schneidend über die Lippen.
»Dann hätte es anders laufen sollen?« Er musste einfach nachfragen.
Fa’losôi rammte den Speer mit dem stumpfen Ende in den weichen Sand und ließ ihn los. »Käme ich auf den Einfall, mein mühsam zusammengerufenes Heer in einem Sturm aus Blüten, Glas, Klingen und Wohlgerüchen buchstäblich aufzureiben?«, schnarrte sie und wischte das Blut unter ihrer Nase weg; sofort tröpfelte neues nach. »Die Windstimme rief zu laut.«
Aiphatòn sah zu Nodûcor, der ohne die schwarze Halbmaske um Kinn und Mund plötzlich harmlos wirkte; an manchen Stellen war die Haut vernarbt, woanders aufgeschürft. Er sieht aus wie ein Gelehrter, aber nicht wie ein Wesen, das zwei Heere von je hunderttausend in winzige Stückchen mahlen lässt. »Was ist geschehen?«
Der fahle Alb reagierte nicht.
Fa’losôi lachte böse auf. »Er kann nicht reden. Sobald er den Mund öffnet, um etwas zu sagen, geschieht das, was wir in der vergangenen Nacht zu spüren bekamen. Wenn er sich äußern soll, wird er es aufschreiben.« Sie richtete die Augen auf Aiphatòn. »Ich bin überrascht. Im besten Sinn«, räumte sie ein.
»Ich dachte, ich erlege Ysor’kenôr für dich, damit sein Heer ohne Führung ist«, log er. »Aber du hattest die gleiche Idee, als du die Ghaists sandtest. Wusstest du, dass es zwei waren? Er hatte noch einen Bruder, der ihm half.«
»Nein. Aber das meinte ich nicht.« Fa’losôi musterte ihn. »Du bist seit geraumer Zeit von meinem Einfluss befreit, und doch bist du geblieben und brachtest einen der Rhâhoi um.« Sie senkte langsam den zeichengezierten Kopf. »Wie gelang dir das?«
Ich bin frei? Oder ist es eine Prüfung? »Kôr’losôi«, antwortete er aus einer Eingebung heraus, um sich Zeit zu verschaffen. »Dein Vetter wollte mich zu einem Pakt gegen dich bringen, damit ich dich töte. Er schwächte deinen Einfluss, sooft es ging.«
Fa’losôi hob die Augenbrauen. » Das erklärt es! Ich wusste, dass Kôr’losôi ein Komplott schmiedete, aber ich hielt ihn nicht für so gut, dass er deine Bindung an mich brechen kann.« Sie legte die Hände auf den Rücken, die Ketten und Steine klirrten. »Du bist geblieben, um was zu tun, Kaiser?«
Aiphatòn lachte auf. »Ich sah vor, dich um die Befehlsherrschaft der Albae zu bitten.« Er deutete stellvertretend auf die zerrupfte Irïanora. »Ich hätte sie gebrauchen können. Und ein Heer, das gut geführt wird, vermag bessere Siege zu erringen. Schnellere Siege mit geringeren Verlusten.« Betont sah er sich um. »Du wirst von vorne beginnen müssen, und ich habe« – er sah zu den Überlebenden – »nur noch drei Albae.«
»Ich erinnere mich an deine Ausführung über das Tharc-Spiel.« Fa’losôi lächelte. »Und du hast mich überzeugt: Du sollst fortan ohne meine Beherrschungszauber an meiner Seite sein.« Sie nickte dem Cîanoi zu. »Lass ihn rasch nach deinen Wunden sehen, und anschließend gehen wir nach Osten. Nodûcors Stimme ist ein wenig eingerostet, das soll sich ändern. Er muss sie öfter benutzen, denke ich, damit er die richtigen Worte zu sprechen versteht.« Fa’losôi zeigte mit der Rechten anbietend und gönnerhaft auf den Runenspeer. »Nimm ihn. Er gehört dir.«
Aiphatòn wahrte mühsam die Maskerade der Freundlichkeit, als er die Hand langsam ausstreckte und den Schaft umgriff. »Gewöhnliche Zauber wirken nicht gegen mich.«
»Du bist in der Ödnis. Dass die Dinge anders verlaufen, solltest du verstanden haben.« Fa’losôi
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