Die Legenden des Raben 04 - Zauberkrieg
Achseln.
»Schwer zu sagen«, antwortete er. »Nicht mehr ganz so schlecht wie vor einer Weile. Ich glaube, es ist nur die Anstrengung, aber bisher hat sie kein Lebenszeichen von sich gegeben.«
Denser stand auf und blickte zur Tür. Beide Türflügel waren geöffnet und ließen das Nachmittagslicht und eine kühle Brise in das makellos saubere Gebäude. Die Wärme erreichte auch die vier belegten Betten in der für fünfzig Patienten ausgelegten Krankenstation. Drei Elfenmagier waren verletzt worden, als Erienne die Bergung des Herzens unterbrochen hatte. Wie bei Erienne konnte man auch bei ihnen schwer sagen, was mit ihnen geschehen war, wenngleich aus ganz anderen Gründen. Die Verletzungen durch Rückschläge bei gescheiterten Sprüchen waren immer schwer einzuschätzen.
»Komm mit«, sagte er und ging los. »Ich will jetzt nicht hier drinbleiben.«
»Bleibe ruhig bei ihr, Denser«, sagte der Unbekannte. »Wir schaffen die Vorbereitungen auch ohne dich.«
»Danke«, sagte er. »Aber dieser Ort weckt so viele Erinnerungen. Ich lasse sie in unsere Zimmer verlegen.«
Der Unbekannte nickte. Ihm erging es nicht anders, wenn er sich im Kolleg bewegte. Ein altes Schlachtfeld, das sie noch einmal aufgesucht hatten. Vieles war nach der Invasion der Wesmen wieder aufgebaut worden, und kein
Blutfleck war mehr zu sehen. Doch die Erinnerungen waren frisch. In der Krankenstation hatten sich diejenigen gedrängt, die auf den Mauern und an den Toren verletzt worden waren. Dort hatte der Rabenkrieger Will Begman den Kampf um sein Leben verloren. Thraun weigerte sich strikt, sich dem Gebäude auch nur zu nähern. Nicht einmal für Erienne war er dazu bereit.
»Anscheinend hat sie die Magier gerettet, nicht wahr?«, fragte der Unbekannte.
»Sie hat alle gerettet«, bestätigte Denser. »Pheone sagte, das Versagen des Mana habe den gleichen Verlauf genommen wie bei den vorherigen Ausfällen. Sie hatten Glück, dass Erienne aufgepasst hat.«
»Ist das Mana inzwischen wieder da?«
»Anscheinend funktioniert es wieder, aber das hilft uns nicht weiter. Die Julatsaner und die Elfenmagier ruhen sich jetzt aus. Vor dem morgigen Tag kann keiner von ihnen einen Spruch wirken.«
»Das könnte uns teuer zu stehen kommen. Wahrscheinlich werden wir von Hausgeistern angegriffen.«
Die Warterei setzte allen zu. Die TaiGethen, die Krallenjäger und Izack versteckten sich in der Stadt, der Bürgermeister und der gesamte Stadtrat standen unter Beobachtung. Nachdem deren Verhalten im Grunde nur noch als Verrat bezeichnet werden konnte, wollte Darrick kein Risiko eingehen. Die Tore des Kollegs blieben geschlossen, und eine Staubwolke bewies, dass die anrückenden Xeteskianer die Stadt fast erreicht hatten.
Auf den Kollegmauern waren Späher verteilt, die meisten am Torhaus, wo Darrick, Hirad und Thraun beim unerschütterlichen Kommandanten Vale standen. Der Unbekannte und Denser stießen zu ihnen, auch sie hatten die Veränderung der Atmosphäre gespürt. Die Zuversicht des
Morgens war dahin, jetzt herrschte düsteres Brüten vor. Sie hatten den größten Teil ihrer Schlagkraft verloren, obwohl der Feind noch nicht einmal direkt vor den Toren stand. Das Herz war immer noch begraben, und ohne Schutz durch Sprüche konnten sie sich mit Schwertern und Pfeilen allein nicht lange gegen die Feinde behaupten. Deren Streitmacht würde spätestens binnen einer Stunde vor der Tür stehen. Dabei waren es nicht einmal die gegnerischen Kämpfer, die ihnen die größten Sorgen bereiteten. Die Hausgeister konnten, wenn sie richtig eingesetzt wurden, über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Als er die Treppe zum Turm des Torhauses hinaufstieg, fiel dem Unbekannten etwas ein.
»Wie stark fühlst du dich, Denser?«
Denser bekam ein Lächeln zustande. »Dann bist du auch darauf gekommen, was?«
»In diesem Moment.«
»Glaubst du, Darrick hat es übersehen?«
»Man sollte es nicht meinen, aber selbst große Generäle machen Fehler.«
Dieser nicht, dachte Denser. Oder jedenfalls nicht in dieser Hinsicht.
»Freiwillig hätte ich diesen Plan nicht in Erwägung gezogen«, sagte Darrick, »aber uns bleibt nichts anderes übrig. Wir haben hier einen gewissen Schutz und können sie beschäftigen, solange wir Pfeile haben, aber das ist auch alles. Die Gegner werden über magische Schilde verfügen, obwohl die Soldaten womöglich nicht so gut geschützt sind wie die Magier selbst. Es kommt darauf an, wie viele Magier sie haben, und wie viele davon der
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