Die Legenden des Raben 04 - Zauberkrieg
Vale.
Der Unbekannte beobachtete den Wortwechsel. Dieser Mann würde sich keine Blöße geben. Bei den Beratungen hatte sich gezeigt, dass er genau wusste, was auf dem Spiel stand – nicht nur für Julatsa, sondern für ganz Balaia. Eine Schande, dass seine ehemaligen Ratsherren weit weniger gut im Bilde gewesen waren.
»Wer die Geschichte der Magie kennt, weiß genau, wie wichtig es ist, das Gleichgewicht zwischen den Kollegien zu erhalten«, fuhr Vale fort. »Jede Spielart der Kunst unterstützt alle anderen und schafft einen Ausgleich zwischen ihnen. Würden wir unser Kolleg verlassen, dann würde dies das Gleichgewicht unwiderruflich zerstören.
Unsere Gegenforderung ist ebenso einfach. Wir rufen dazu auf, diesen Konflikt zu beenden, und bitten alle um Hilfe, unser Kolleg wieder auf eine solide Grundlage zu stellen. Wir bitten für uns selbst darum, aber auch für unser ganzes Land, das, wie uns allen schmerzlich bewusst ist, wahrlich genug gelitten hat. Wenn wir nicht zusammenarbeiten, wie wir es bis vor gar nicht so langer Zeit noch getan haben, dann wird die Magie in unserem Land letzten Endes sterben.
Schließlich möchte ich auch alle xeteskianischen Magier an die persönlichen Konsequenzen für jeden julatsanischen Magier erinnern, falls Ihr das Herz des Kollegs zerstört. Ich spreche nicht aus eigener Kenntnis, doch ich habe die bedrückten Gesichter derjenigen gesehen, die sich ein Leben ohne Magie vorzustellen versuchten. Fragt Eure Magier, was sie am meisten fürchten. Es ist für alle das Gleiche. Können sie denn sehenden Auges ihre magischen Brüder diesem schrecklichen Schicksal ausliefern?«
Chandyr antwortete nicht sofort. Er war sich seiner Stellung als Kommandant sicher, aber dennoch klug genug, stets ein offenes Ohr für die Stimmung unter seinen Männern zu haben. So drehte er sich im Sattel um und wollte sehen, wie seine Magier reagierten. Als er sich wieder nach vorn drehte, verriet sein Gesicht nicht, was er dachte. Er zuckte mit den Achseln.
»Der Krieg ist brutal, Kommandant. Die Sieger bekommen, was sie haben wollen, und die Besiegten müssen leiden. Manchmal erleiden sie den Tod, manchmal Gefangenschaft oder Sklaverei. Was die an diesem Konflikt beteiligten Magier angeht, so wird es der Verlust ihrer Lebensaufgabe oder gar Schlimmeres sein.
Ich kann es mir nicht erlauben, sentimental zu werden. Ein Krieg wird immer von mindestens zwei Parteien geführt.
Keine ist frei von Schuld, keine begrüßt die Schmerzen, die sie einander zufügen, doch beide erkennen, dass es keinen anderen Ausweg gibt. Der Krieg beginnt, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Kommandant, ich wiederhole mein Angebot. Übergebt uns das Kolleg. Niemand muss sterben. Der Konflikt wird enden, und Julatsa wird sich selbst regieren können.«
»Wir werden uns nicht ergeben«, erwiderte Vale. »Das können wir nicht.«
»Ich weiß, dass Ihr es nicht könnt, Kommandant. Aber ich wäre kein ehrenhafter Soldat, wenn ich Euch keine ehrenhafte Kapitulation anbieten würde. Ich kann Euch noch etwas anbieten. Eine Stunde bekommt Ihr, um zu reden und nachzudenken. Wenn die Tore bis dahin nicht geöffnet sind, greifen wir an.«
Vale nickte. »Schärft Eure Schwerter, Kommandant Chandyr. Ihr werdet sie brauchen. Falls wir dieses Kolleg überhaupt aufgeben müssen, so wird es um den höchsten Preis geschehen, den wir Euch dafür auferlegen können. Und wir haben Verbündete. Seid Ihr wirklich sicher, dass Ihr Euch auch gegen sie verteidigen könnt, nachdem Ihr unseren Preis bezahlt habt?«
»Eine Stunde«, sagte Chandyr.
Er zog sein Pferd herum und kehrte mit seinen Begleitern zu seiner Truppe zurück. Der Unbekannte sah ihm nach, dann stieg er mit Vale und den Rabenkriegern zum Innenhof hinunter.
»Wir könnten etwas Kühles zu trinken gebrauchen«, sagte Vale, während er sie zum Refektorium führte.
»Das war ein beeindruckender Auftritt«, lobte ihn der Unbekannte. »Jetzt hat er Stoff zum Nachdenken.«
»Noch mehr als das«, ergänzte Darrick. »Eure Bemerkung über seine Schwierigkeiten, nachdem er gesiegt hat,
war ein kluger Schachzug. Das wird ihn vorsichtig machen.«
»Es fiel mir erst im allerletzten Augenblick ein«, gab Vale zu.
»Solche Einfälle können Schlachten entscheiden«, sagte Darrick.
»Nun, General«, schaltete sich Hirad ein. »Wie gut hast du ihn eigentlich ausgebildet?«
»Er war ein guter Schüler«, sagte Darrick. »Aber die lysternischen Soldaten bekommen immer
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