Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)
»All die Gesandtschaften vom Kontinent scheinen gleichzeitig eingetroffen zu sein. Da Eddis auch hier ist, ist jeder Augenblick verplant.« Er musterte verwirrt ihre schäbigen Kleider.
»Wir sind aus Sicherheitsgründen inkognito gereist«, erklärte der Magus.
»Aber gewiss …«
»Und dann sind wir unterwegs ausgeraubt worden.«
»Ah«, sagte der König, »das ist die Gefahr, wenn man anonym bleibt. Eure neuartige Vorgehensweise hat mich annehmen lassen, dass Geheimhaltung wichtig wäre, also habe ich meinem Hauptmann befohlen, euch schnell und ohne viel Aufsehen herzubringen. Ich habe gerade erst erfahren, dass er gesehen hat, wie Ihr mir Erbsen ins Gesicht geschossen habt, und ich bin erleichtert, Euch beide nicht an den Daumen baumelnd vorzufinden.«
»Euer Majestät«, rief jemand vor der Tür, »wir müssen los.«
»Ja«, sagte der König, bevor er sich wieder dem Magus zuwandte. »Man wird euch in ein Zimmer führen, in dem ihr euch frisch machen könnt – und vielleicht auch eine schöne Aussicht habt.« Er sah sich in dem kleinen Raum mit den steinernen Wänden um. »Eines muss ich Teleus lassen, er hat wenigstens auf Sicherheit geachtet.«
Der junge Mann im hinteren Teil der Zelle schnaubte angesichts der Bemerkung. Der König ging um den Magus herum, um den jungen Mann kräftig zu umarmen. Dann ließ er ihn los, trat aber noch nicht zurück. Er schaute auf, nahm die Narben, die die Lippe zu einem leicht hämischen Lächeln hoben, und die gebrochene Nase in Augenschein. »Mein Gott, du bist im Krieg gewesen! Wenn ihr erst sauber seid und euch etwas ausgeruht habt, will ich alles darüber hören, wo du warst – und warum.« Er zog den Kopf des jungen Mannes zu sich herunter und küsste ihn mitten auf die Stirn, bevor er ernst sagte: »Bei allen Göttern, ich bin froh, dich wohlbehalten wiederzusehen, Sophos.«
Der junge Mann erwiderte sein Lächeln. »Sounis«, sagte er, als gerade wieder jemand von der Tür her rief.
Der König sah dorthin und dann zurück zu ihm, als sei er unsicher, ob er ihn richtig verstanden hatte. »Was?«
»Ich bin Sounis«, erklärte der junge Mann. »Mein Onkel ist tot.«
Alle Freude des Königs war wie weggeblasen. »Scherzt du?«, fragte er.
Verwirrt schüttelte der jüngere König den Kopf. »Nein, ich bin Sounis.« Er wollte eine Bemerkung darüber machen, dass hier ein König auf Staatsbesuch in den Keller gesperrt worden war, aber seine eigene Freude verflog.
»Euer Majestät, bitte«, rief der Mann auf dem Gang erneut. Der König von Attolia sah die Tür an, dann den Magus und schließlich den ehemaligen Schüler des Magus und neuen König von Sounis.
»Es tut mir leid«, sagte er und meinte es eindeutig ernst. Er nahm den jungen Mann kurz beim Ärmel, sagte noch einmal: »Es tut mir leid«, und war verschwunden; er ließ den Magus von Sounis und seinen König allein vor der offenen Tür ihrer Zelle stehen.
Sounis wandte sich an den Magus. »Er kann doch nicht annehmen, dass mein Onkel mir viel bedeutet hat?«
»Ich glaube, er war entzückt zu sehen, dass Ihr am Leben seid«, sagte der Magus, »und betrübt, dass Ihr Euch bei Eurem nächsten Treffen als König und König und nicht als Freunde gegenüberstehen werdet.«
»Ich hoffe, dass ich immer sein Freund bleiben werde«, sagte Sounis.
»Ich weiß, dass auch er das hofft«, versicherte der Magus ihm, »aber jetzt lasst uns unserer Eskorte folgen zu einem Bad und einem Mahl. Ihr werdet Eure Kräfte gewiss brauchen, um all die Fragen darüber zu beantworten, wo Ihr wart und was aus Euch geworden ist, seit man Euch zuletzt gesehen hat.«
Kapitel 1
Mein Vater entließ wieder einmal einen Hauslehrer. Wie ich sehe, überrascht dich das nicht. Terve war der achte. Der Magus war der siebte gewesen. Mein Vater und mein Onkel, der Sounis war, hatten mich mit Terve nach Letnos geschickt, um mich vom Magus zu trennen, nach dem welterschütternden Wortgefecht, das die drei sich geliefert hatten, nachdem meine Privatkorrespondenz entdeckt worden war. Terve war ein alter Armeeveteran. Er sollte mir Reiten, Fechten und Militärgeschichte beibringen – zur Hölle mit allem anderen. Mir machte das nicht viel aus. Ich mochte Terve, und er stand meinen eigentlichen Studien nicht im Wege. Er war überwiegend damit beschäftigt, zu trinken und Kriegsgeschichten zu erzählen. Am Morgen beobachtete er mit einem Weinschlauch in der Hand von einem Baumstumpf auf dem Übungshof aus meine Fechtübungen. Anders als all
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