Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)
der man den Herrscher erst austrocknen lässt, bevor man ihn in Brand steckt, etwas unglücklich war.
»Ihr versteht schon, was ich meine, Euer Majestät.« Er fuhr fort zu erklären, dass mein dümmlicher Einfall, vor Attolia zu kapitulieren, auf meine unerfahrene Jugend zurückzuführen sei, und stach bei jedem Argument, das er vorbrachte, mit dem Finger nach mir. Wie mein Onkel hätte ich nicht auf klügere Köpfe gehört. Er hätte sich von seinem Jähzorn übermannen lassen. Er wäre launisch und unzuverlässig gewesen. Er wäre eigensüchtig gewesen und hätte nicht im Interesse von ganz Sounis gehandelt, und das wäre das eigentliche Problem gewesen – der Grund dafür, dass die Barone sich gegen ihn erhoben hätten.
Ich warf verstohlene Blicke auf Akretenesh und versuchte herauszufinden, wie Hanaktos in seine Pläne einzuordnen war, denn ich konnte nicht glauben, dass Comeneus als Komplize an seinen Intrigen beteiligt war. Vielleicht als Spielfigur. Akreteneshs Gesichtsausdruck nichtssagender Billigung änderte sich die ganze Zeit über nicht, und ich wünschte, ich hätte über seine diplomatischen Fähigkeiten verfügt. So konnte ich mich nur mit Mühe davon abhalten, Comeneus’ ausgestreckten Finger zu packen und hineinzubeißen.
Am Ende unterbrach ich ihn, um zu sagen, dass ich dankbar für die Unterweisung sei und dass ich auch, falls er nicht mein Regent werden sollte, in Zukunft seinen Ratschlägen gewiss die Aufmerksamkeit schenken würde, die sie verdienten. Bevor er noch etwas sagen konnte, fügte ich hinzu, dass er Sounis so gedient hätte, wie er es für das Beste gehalten hätte, und dass er dafür bestimmt belohnt werden würde. Er nickte mit Nachdruck, wie ein großer Ochse. Er schien mit einer beträchtlichen Belohung zu rechnen, aber dabei sah er nicht mich an, sondern den medischen Gesandten.
Nachdem ich mir angehört hatte, wie Comeneus mir die Fehler meines Onkels aufgelistet hatte, machte ich für diesen Tag Feierabend und kehrte in meine Gemächer zurück. Die Diener streiften mir die schweißgetränkten Kleider ab und brachten mir einen Becher mit eisgekühltem Wein. Als die anderen fort waren, fragte ich Nomenus nach allem aus, was er wusste. Gab es weitere Neuigkeiten aus Tas-Elisa? Lagerten Hanaktos’ Männer immer noch an der Straße in die Hauptstadt? Rückten sie nach Elisa vor? Nomenus sagte, er hätte nichts dergleichen gehört.
Am Tag der Versammlung legte ich meine prächtigsten Kleider an und dachte dabei an Gen. Der Mantel mit den lächerlichen Taschen und den zahlreichen Stickereien, den er für mich hatte anfertigen lassen, damit ich wie ein König aussehen und mich auch wie einer benehmen konnte, war steif wie ein Brett. Ich kam mir wie ein Kasten auf Beinen vor. Am Vorabend hatte ich endlich das untere Fach von Attolias Pistolenschatulle geöffnet und mich vor dem gefürchtet, was ich darin womöglich vorfinden würde. Ganz gleich, welche Alternative Eugenides mich zu suchen gedrängt hatte, ich hatte sie nicht gefunden, und ich hatte mit dem Nachsehen gewartet, bis es zu spät gewesen war, meine Vorgehensweise noch zu ändern. Als ich gesehen hatte, was unter Attolias Pistole lag, hatte ich den Kopf auf den Tisch sinken lassen und geweint.
In meinen besten Kleidern schritt ich zur Versammlung. Ich konnte nicht gebeugt gehen, ohne sichtbare Falten in meinem eleganten Mantel zu hinterlassen, und so hielt ich die Schultern gestrafft und nickte vor meinem Hof mit dem Kopf wie ein verrücktes Huhn. Die Barone und ihre Unterstützer waren schon seit der Morgendämmerung zusammengeströmt.
Jeder Baron hatte das Recht, zwei Männer mitzubringen; gewöhnlich wählte er seinen Erben und noch jemand anderen. Das Amphitheater war voll, von den prestigeträchtigen Sitzen in der ersten Reihe bis ganz nach oben zu den Bänken, auf denen sich die Leute vorbeugen mussten, um an den Zweigen der Büsche vorbeizusehen, die auf den Hängen hinter ihnen wucherten und über die Sitzreihen hingen.
Ich stieg auf die Bühne, setzte mich auf einen aus einer Reihe von Stühlen neben Akretenesh und Mitglieder des Rats meines verstorbenen Onkels und wartete geduldig den langen, vom Protokoll vorgeschriebenen Ablauf der Zeremonie ab. Die Stühle waren bezeichnenderweise alle gleich hoch.
Am späten Vormittag, als ich schon schweißgebadet war, schlug Baron Xorcheus eine Regentschaft vor. Ich stand auf und trat an die Vorderkante der Bühne. Xorcheus zögerte, unsicher, was ich vorhaben
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