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Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)

Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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zweite Pistole hervor und las ihre archaische Inschrift. Realisa onum . Nicht »Die Königin hat mich gemacht«, sondern »Ich mache den König«.
    Als ich über den langen Pistolenlauf hinweg Akreteneshs erschrockenes Gesicht sah, lächelte ich, bis ich spürte, wie das Narbengewebe sich straff spannte. Diesen einen Gesichtsausdruck hatte ich ihm nie gezeigt. Mein Gesicht hatte meine Demütigung, meinen Zorn, mein Erstaunen und meine Verlegenheit verraten, aber ich hatte ihn nie sehen lassen, wem ich ähnelte, wenn ich lächelte: meinem Onkel.
    Seine diplomatische Maske fiel in sich zusammen, und er wich zurück.
    In Attolia hatte ich schließlich vor einem Spiegel gestanden und begriffen, was Oreus damals in Hanaktos dazu gebracht hatte, mich zu fragen, ob ich ein zufriedenes Gesicht machte oder nicht. Das Lächeln zerknitterte das Narbengewebe unter meiner Haut und verzog mein Gesicht zum hämischen Grinsen eines Mannes, der nie auch nur einen Augenblick des Selbstzweifels erlebt hatte, den nie auch nur ein verlorenes Leben bekümmert hatte. Ich hatte mir Sorgen gemacht, dass ich es nicht fertigbringen würde, tatsächlich Ernst zu machen, aber als es dann geschah, war es einfach. Als ich Akretenesh zurückweichen sah, lachte ich laut auf.
    Ich hatte mit der linken Hand auf Hanaktos gefeuert. Ich hatte genau gewusst, wo er war, und den ganzen Morgen Zeit gehabt, meinen Schuss vorzubereiten. Mit der rechten Hand zielte ich zuverlässiger, und Akretenesh war näher bei mir, als Hanaktos es gewesen war.
    Ich hatte einen besseren Weg finden wollen, als einen unbewaffneten Mann zu erschießen. Ich hatte gewollt, dass meine Barone mich zum König wählten, weil sie an mich glaubten und weil sie meine Ideale teilten. Aber ich hatte keine Wahl gehabt, und ich hatte bereits beschlossen, dass ich sie mit allen Mitteln dazu bringen würde, mir zu folgen. Ich würde nicht tatenlos zusehen, wie sie ans Meder-Reich oder an Melenze verloren gingen oder sich in einen endlosen Bürgerkrieg verstrickten, in dem sie nie vor Blutvergießen gefeit bleiben würden, bis das ganze Land bis auf die Knochen ausgeplündert war. Wenn ich nicht Eddis sein konnte, würde ich Attolia sein. Wenn sie meinen Onkel in mir erblicken mussten, dann würde ich ihn ihnen zeigen. Und ich würde Attolias Rat annehmen, denn wenn ich meinen Feind fand und ihn vernichtete, dann würde Sounis gerettet sein.
    Mein Feind war nicht Comeneus, obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass er es nicht wusste. Sein Bruder wusste es sehr wohl. Als ein Baron nach dem anderen für den Regenten gestimmt hatte, hatte Comeneus mich beobachtet, aber sein Bruder hatte Hanaktos angesehen und der seinerseits den Meder.
    Akretenesh starrte mich über den Lauf meiner Pistole hinweg an und fragte: »Habt Ihr mir nicht erst vor ein paar Tagen einen Vortrag über die geheiligte Waffenruhe gehalten?«
    Den Finger noch immer durch den Abzugsbügel der abgeschossenen Pistole geschoben, hob ich die linke Hand zum Himmel, um festzustellen, ob ein Blitz mich niederstrecken würde.
    Als keiner einschlug, lächelte ich wieder. »Dann müssen wir wohl annehmen, dass die Götter auf meiner Seite sind.«
    »Ich bin ein Gesandter«, warnte mich Akretenesh; der Zorn gab ihm sein Selbstvertrauen zurück. »Ihr könnt nicht schießen.«
    »Das habe ich auch nicht vor«, versicherte ich ihm, immer noch lächelnd. Ich verfiel in seinen beschwichtigenden Tonfall. »Ihr seid sogar der einzige Mann, auf den ich nicht schießen werde. Aber wenn ich auf irgendjemanden sonst zielen würde, könnten andere zu gefährlichen Fehleinschätzungen über ihre eigene Sicherheit gelangen.« Ich hob die Stimme ein wenig, obwohl das eigentlich unnötig war. »Wir stimmen noch einmal ab, Xorcheus.«
    Sie wählten mich zum Sounis. Und zwar einstimmig.
    Als die Abstimmung vorbei war, befahl ich Akretenesh, seine Männer zu holen und mein Land zu verlassen. »Ihr könnt in Tas-Elisa an Bord eines Schiffes gehen«, sagte ich.
    Er lächelte sein überlegenes Lächeln; während des langsamen Abstimmungsprozesses hatte er seine Selbstbeherrschung größtenteils zurückgewonnen. »Wie wollt Ihr mich dazu zwingen?«
    »Das muss ich nicht«, sagte ich. »Euer Kaiser ist auf einen Krieg mit dem Kontinent nicht vorbereitet, sonst hätte er längst angegriffen. Ihr versucht Euch hier heimlich einen Brückenkopf in Sounis zu sichern und mir mit einem Taschenspielertrick mein Land zu stehlen. Die Kontinentalen Mächte schwanken zwar

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