Die Leibwächterin (German Edition)
Ministerpräsidenten, der Innenministerin, einem Abteilungsleiter der Sicherheitspolizei, Helena und Laitio an einem Tisch. Laitio trug immer noch seinen Filzpantoffel und hatte, dem Geruch nach zu urteilen, vor der Sitzung einige Zigarren auf Vorrat geraucht. Bei der Besprechung ging es vor allem um die Frage, wie man den Fall Wasiljew handhaben konnte, ohne die finnisch-russischen Beziehungen zu gefährden. Helena war gewohnt bissig und vertrat die Ansicht, man müsse die russische Führung über Wasiljews Pläne informieren, da nach ihm auch andere die Sicherheit der Pipeline gefährden könnten. Über Europol und Interpol hatte man in Erfahrung gebracht, dass Boris Wasiljew mit dem Weißrussen Iwan Gezolian in Verbindung gestanden hatte, der seinerseits Kontakte zu terroristischen Organisationen im Nahen Osten unterhielt. Ein Europol-Agent, dessen Name nicht genannt wurde, war in Wasiljews Bande eingeschleust worden; er hatte mitgeteilt, dass Wasiljew mit einem Mann, bei dem es sich höchstwahrscheinlich um Gezolian handelte, über eine Isotoplieferung verhandelt hatte. Was aus dem Geschäft geworden war, wusste Europol nicht. Der verdeckte Ermittler hatte den Handel am selben Tag gemeldet, an dem er abgeschlossen werden sollte, und seitdem nichts mehr von sich hören lassen. Ein auf Gezolians Konzern registriertes Wasserflugzeug war am Tag vor der Explosion im Hafen von Sankt Petersburg gesehen worden, doch sichere Beweise für den Kontakt zwischen Wasiljew und Gezolian fehlten.
«Nach der Explosion der I believe wurden Leichenteile von mindestens vier männlichen Personen aus dem Meer gefischt. Sie werden zurzeit identifiziert, was insofern schwierig ist, als sich in Syrjänens Villa zahlreiche Besucher aufgehalten hatten und die dort aufgefundenen Gegenstände nicht eindeutig zugeordnet werden konnten. Außerdem kosten diese Untersuchungen Zeit und Geld. Bisher wurde niemand als vermisst gemeldet, abgesehen natürlich von dem Europol-Ermittler.»
«Hat er auch einen Namen?», fragte die Innenministerin. Ein heldenhafter Polizist durfte schließlich nicht namenlos bleiben.
«David Daniel Stahl», antwortete Laitio. «Geboren in Tammisaari, finnischer Staatsbürger, hat allerdings einen Großteil seiner Jugend in Estland verbracht und in Schweden die Polizeischule besucht. Seine Kollegen haben ihm den Spitznamen Finnenteufel verpasst, weil er nicht viel von Teamarbeit hielt und mitunter radikale Entscheidungen traf, mit denen sich enorme Risiken verbanden. Er wurde für die Einschleusung ausgewählt, weil er Russisch, Schwedisch und Estnisch konnte und auch Finnisch einigermaßen verstand, allerdings kaum sprach.»
Seine Finnischkenntnisse hatte David mir verschwiegen. Vielleicht hatte er diese Einzelheit nicht mehr für wesentlich gehalten, als alle anderen Karten schon auf dem Tisch lagen. Nach einigem Hin und Her wurde beschlossen, die Informationen über Wasiljew in die höchste Geheimhaltungsstufe einzuordnen; Helena und ich wurden darauf hingewiesen, dass wir der Schweigepflicht unterlagen. Über Paskewitsch und Trankow war Einreiseverbot verhängt worden, und an allen Grenzübergängen lagen Haftbefehle bereit. Alle schienen jedoch zu hoffen, dass es nie zu diesen Verhaftungen kommen würde, die unweigerlich das Interesse der Medien wecken mussten, was sowohl für die Regierung als auch für die höchste Polizeiführung peinlich werden konnte.
«Und die verschwundenen Isotope – falls es sie überhaupt gegeben hat? Ist Europol denen auf der Spur?», fragte Helena, als die anderen die Sitzung bereits schließen wollten.
«Natürlich ist man allem auf der Spur», lächelte Laitio, rollte eine Zigarre zwischen den Fingern und steckte sie schließlich in den Mund, zündete sie allerdings nicht an. «Es kann ja auch sein, dass das Geschäft gar nicht stattgefunden hat, sondern Gezolian von Anfang an auf Betrug aus war. Er hat das Geld eingesteckt und Wasiljews Kahn in die Luft gejagt. So läuft halt die Nahrungskette: Die größeren Fische fressen die kleinen. Wenn man nur wüsste, wer der allergrößte Fisch ist.»
«Zumindest in Finnland weiß man das», schnaubte Nupponen, der Abteilungschef der Sicherheitspolizei, ein strohblonder Mann, der aussah, als verbringe er sein ganzes Leben in geschlossenen Räumen. Er warf dem Ministerpräsidenten einen verstohlenen Blick zu. Laitio lachte dröhnend.
«Bin ich es, wenn ich in dieser honorigen Gesellschaft meine Zigarre anzünde? Sag mal, Nupponen, wie
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