Die Leibwächterin (German Edition)
jetzt dasselbe zu dir.» David nahm meine Hand, biss mich in den Zeigefinger wie Frida, wenn sie spielen wollte.
Die verdammte Uhr tickte, die Zeit kannte kein Erbarmen. Wir verbrachten die letzten Minuten in enger Umarmung auf dem Bett, tauschten die letzten Küsse. Nicht weinen, nein, ermahnte ich mich, aber auch in Davids Augen standen Tränen. Er würde Wasiljew und seinen Männern allein entgegentreten, statt einer Schleuder hatte er eine Handgranate als Waffe, und ich konnte nichts tun, als in Gedanken bei ihm zu sein. Da ich in böser Absicht gekommen war, hatte ich kein Geschenk mitgebracht, das Einzige, was ich ihm geben konnte, waren Erinnerungen. Wir verließen den Gasthof gemeinsam. Weil es immer noch regnete, legte David mein Fahrrad in den Kofferraum und fuhr mich zu meinem Wagen. Er hatte es eilig, nach Moskau war es weit, und man konnte nie wissen, wie lange man an der Grenze warten musste. Wir fuhren hintereinander her bis zur Hauptstraße, wo ich nach links, er nach rechts abbog. Als ich wenig später die Torbackantie erreicht hatte, hielt ich an und heulte laut wie Frida, als sie nach ihrem Partner rief.
Beim Weggehen hatte ich Helena gesagt, ich wisse nicht, wann ich zurückkäme, und am Abend hatte ich nicht daran gedacht, ihr eine SMS zu schicken, dass alles in Ordnung war. Vorwurfsvoll erklärte sie mir, sie sei vor Angst fast hysterisch geworden, weil ich über Nacht weggeblieben war. Ich wusste nicht, was ich ihr erzählen sollte, und sagte schließlich nur, meine Abwesenheit habe mit Wasiljew zu tun gehabt.
Das Wochenende war sonnig, am Samstag machten wir einen ganztägigen Ausflug nach Kopparnäs, und am Sonntag ruderten wir über die Torbacka-Bucht. Ich fragte mich, wie die Sonne scheinen und wie das herbstliche Meer in stechendem Blau schimmern konnte, wo doch bald alles aus sein würde, denn David war auf dem Weg in den Tod. Das waren wir zwar alle, aber er kannte das genaue Datum, vielleicht sogar die Stunde. Sollte ich mich Laitio anvertrauen? Würde es ihm gelingen, die richtigen Leute bei Europol zu alarmieren, die David an seinem Vorhaben hindern würden? Vielleicht konnte Europol der I believe auflauern. Dort hätten sie doch sicher technische Hilfsmittel, die dafür sorgten, dass Schiffe oder Hubschrauber nicht vom Radar erfasst wurden.
Helena konnte ihren Genesungsurlaub nicht unbegrenzt ausdehnen, wir mussten entscheiden, wie es weitergehen sollte. Ihre Assistentin Saara Hirvelä würde nach dem Wochenende die Arbeit wiederaufnehmen. Helena war der Meinung, ich solle weiterhin ihre Leibwächterin bleiben. Nachdem sie sich von dem Schock der Entführung erholt hatte, war sie zu der Auffassung gelangt, dass die Tat nicht ungesühnt bleiben durfte. Sie wollte Anzeige erstatten, damit Paskewitsch und Trankow verhaftet und der Freiheitsberaubung angeklagt wurden, sofern sie sich noch in Finnland aufhielten. Ich riet ihr, sich das Ganze noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen und zu bedenken, mit welchen Schlagzeilen zu rechnen war, wenn bekannt wurde, dass ihre Assistentin bewaffnet und in Pornokleidung losgezogen war, um ihre Arbeitgeberin zu retten. Zudem würde Paskewitsch wahrscheinlich ungestraft davonkommen, weil er die Schuld voll und ganz auf Trankow abwälzen konnte. Ich dagegen säße in der Tinte, denn ich hatte mich zumindest der Nötigung und Freiheitsberaubung schuldig gemacht. Darum bat ich Helena, vorläufig nichts zu unternehmen, verschwieg ihr allerdings den wahren Grund: Ich wollte David die Chance geben, seine Operation durchzuführen, bevor Paskewitsch der Polizei erzählen konnte, was er über Wasiljew wusste.
David rief mich am Sonntagabend an, als Helena und ich gerade Tee getrunken hatten und schlafen gehen wollten.
«Ich bin’s. Kannst du reden?»
«Warte einen Moment, ich gehe nach draußen. Ich rufe dich gleich zurück.» Ich zog Jacke und Schuhe an. Es war windstill, meine Stimme würde weithin zu hören sein, ganz egal, wo ich sprach. Ich kletterte auf den Felsen. Dort oben war es am sichersten, denn Schallwellen bewegen sich in der Regel von unten nach oben. Der Himmel war wolkenlos, die Sterne leuchteten, hier wurde ihr Glanz nicht von den Lichtern der Stadt beeinträchtigt.
«Alles läuft nach Plan. Wasiljew ist zuversichtlich, und Syrjänen kommt zum Glück erst Ende der Woche her. Das heißt, sobald er erfährt, dass seine Jacht hinüber ist, wird er natürlich angerannt kommen, aber das braucht mich dann nicht mehr zu kümmern.»
«Du
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