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Die Leiche am Fluß

Die Leiche am Fluß

Titel: Die Leiche am Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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— immerhin war er schon fast siebenundsechzig — wohl ein paar Tränen zerdrücken würde.
    Daß man dieses irdische Jammertal auch anders als durch einen natürlichen Tod verlassen konnte, war ihr damals nicht in den Sinn gekommen, und nie hätte sie sich träumen lassen, daß ihr heutiger Kunde, Dr. Felix McClure, emeritierter Professor für Alte Geschichte am Wolsey College, Oxford, in Kürze einem Mord zum Opfer fallen würde.

(IV)

    Ein hochgradig geologischer
    selbstgebackener Kuchen.
    (Charles Dickens, Martin Chuzzlewit)

    Der Briefträger hatte Julia Stevens nur eine Sendung gebracht, einen braunen Umschlag mit der Gasrechnung, der in ihrer kleinen Diele an der Tischlampe lehnte.
    Auf dem Tisch im Wohnzimmer aber lag ein zweiter Umschlag, dessen hintere Umschlagklappe nicht zugeklebt war, daneben eine üppig mit Zuckerguß verzierte Torte mit der Aufschrift «Happy Birthday, Mrs. Stevens», in Rot auf weißem Grund. Das Zuckerblumenarrangement war in Lila und Grün gehalten.
    Brenda Brooks nannte ihre Arbeitgeberin, bei der sie nun seit immerhin fast vier Jahren für Sauberkeit sorgte, nie anders als Mrs. Stevens. So auch jetzt — sowohl auf dem Kuchen als auch in dem Brief, der ihrer Geburtstagskarte beilag:

    Liebe Mrs. S.,

    nur ganz kurz herzliche Glückwünsche zum Geburtstag, hoffentlich macht Ihnen die Überraschung ein bißchen Freude. Allzu genau dürfen Sie nicht hinschauen, es hat einen kleinen «Unfall» gegeben und die Dekoration ist nicht besonders geworden. Die Blumen waren gerade fertig und sollten trocknen und da ist mir eine Schüssel aus der Hand gefallen und hat alles kurz und klein geschlagen. Ich habe was Unfeines gesagt und nochmal von vorn angefangen und schließlich hab ich es dann doch geschafft.
    Also dieser kleine «Unfall»... Ich will Ihnen sagen wie es wirklich war. Vor ein paar Wochen hat mein Mann mit mir Streit angefangen und mein Arzt meint daß er mir dabei vielleicht einen Handknochen gebrochen hat. Deshalb komme ich mit dem Spritzbeutel nicht so gut zurecht. Nächste Woche wollte ich den Fortgeschrittenenkurs anfangen. Die 38 Pfund hat er mir erspart!
    Viel Spaß heute, wir sehen uns morgen früh, ich freu mich schon.
    Alles Liebe,
    Brenda (Brooks)

    Julia las den Brief noch einmal, besah sich erneut liebevoll den Kuchen und war plötzlich sehr gerührt — und sehr zornig. Sie wußte, wieviel Freude Brenda der Dekorationskurs an der Abendschule gemacht hatte und wie stolz sie auf ihre Leistungen war. Gewiß, die Verletzung war sicher nicht weltbewegend, aber die Sache im Grunde doch furchtbar traurig. Das «Mrs.» war wirklich ziemlich verwackelt, die beiden Ypsilons von Happy Birthday entschieden verunglückt, wie von zitternder Hand geschrieben. Ein Gefühl, das sie sich nicht recht erklären konnte, trieb sie zu sofortigem Handeln. Sie holte ihr breitestes, schärfstes Kuchenmesser, schnitt ein großes Stück Torte mit dem verwackelten Mrs. ab und aß es auf der Stelle.
    Die Torte bestand aus vier Biskuitböden mit Sahne-, Erdbeerkonfitüre- und Zitronenbuttercremefüllung und schmeckte köstlich. Nur schade, daß niemand da war, dem sie etwas hätte abgeben können.
    Zehn Minuten später läutete das Telefon.
    «Ich hab in der Schule nichts gesagt, Miss, aber ich wollt Ihnen doch gratulieren.»
    «Von wo rufst du an, Kevin?»
    «Ich steh hier an der Ecke, an der Bushaltestelle.»
    «Hättest du Lust, vorbeizukommen und ein Stück Geburtstagstorte mit mir zu essen? Du hast doch heute auch Geburtstag, nicht?»"
    «Laß ich mir nich zweimal sagen, Miss.»
    Nachdenklich, mit einem leichten Lächeln auf den vollen Lippen, ging Julia zurück ins Wohnzimmer und schnitt mit demselben Messer — dem breitesten, schärfsten Messer, das sie in ihrer häuslichen Waffenkammer hatte — noch zwei Stück Torte ab. Der zweite Schnitt ging genau durch das mißratenere der zwei Ypsilons.

(V)

    Lumberjack Hafey, Lehrer in Mandan, arbeitete zwei Wochen an einem schwierigen Kreuzworträtsel und verlor darüber den Verstand, weil er das letzte Wort nicht herausbekam.
    Man fand ihn in seinem Gartenhaus, wo er auf dem Boden hockte, sich die Haare raufte und unverständliche Worte murmelte.
    (Illinois Chronicle, 3. Oktober 1993)

    Detective Sergeant Lewis fand seinen Chef in dessen Büro, wo er, auf dem äußersten Rand seines schwarzen Ledersessels sitzend, kopfschüttelnd über dem Kreuzworträtsel der Times brütete.
    «Noch nicht fertig, Sir?»
    Morse sah kurz und mit kaum

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