Die Leiche im rosa Nachthemd
krakelig und unsicher.
Es kam jetzt wenigstens etwas
Luft ins Zimmer, aber der Gasgeruch war immer noch sehr stark. Meine Augen
brannten, und ich kam mir irgendwie beschwipst vor. Auf dem Gang sagte eine
männliche Stimme: »Das riecht ja schauderhaft nach Gas hier.« Eine Frauenstimme
antwortete. Dann sagte der Empfangschef: »Die Polizei und ein Krankenwagen sind
unterwegs. Brechen Sie die Tür auf. Es ist jemand drin. Offenbar ist er
umgekippt.«
Mein Stichwort war gefallen.
Ich legte mich in der Nähe des Fensters auf den Fußboden, hörte einen lauten
Tumult an der Tür, dann ein Bersten und Splittern und viele eilige Schritte,
jemand packte mich bei den Schultern, ein anderer bei den Füßen. So schleppten
sie mich auf den Gang hinaus.
Ich spürte frische Luft auf
meinem Gesicht. Bertha Cool sagte: »Hier, setzen Sie ihn aufs Fensterbrett.
Vorsichtig, halten Sie ihn fest, sonst fällt er noch raus.«
Ich atmete dankbar die frische
Luft ein und öffnete die Augen. Ein Schwarm von Menschen stand um mich herum.
Ich hörte den Empfangschef sagen: »Der Ärmste, es war seine Tante « Dann sackte
ich in einen benebelten Dämmerzustand ab. Schließlich heulte ein Streifenwagen
heran, und die Polizei übernahm das Kommando.
Ich sah Bertha Cool an. »Vergiß
nicht ihnen den Namen zu nennen. Sie heißt Amelia Lintig und ist aus Oakview.«
»Sie hat sich ja hier eingetragen,
Kleiner«, beruhigte Bertha mich.
»Schon. Aber achte trotzdem
darauf, daß sie es richtig aufschreiben«, beharrte ich.
Endlich versuchte ich, mit
wackligen Beinen aufzustehen. Ein Mann in weißem Kittel half mir dabei.
»Geht’s? Meinen Sie, Sie schaffen es aus eigener Kraft nach unten zum
Krankenwagen?«
»Ich will hierbleiben«, sagte
ich. »Bei meiner Tante.«
»Es ist nicht das Gas«,
erläuterte Bertha Cool. »Er hat Schreckliches mit seiner Tante durchgemacht.
Sie leidet schon lange unter Depressionen.«
Der Mann im weißen Kittel
horchte mich mit einem Stethoskop ab. »Wir müssen ihn an die frische Luft
bringen«, meinte er.
Ich schob ihn fort. »Ich will
wissen, was geschehen ist.«
»Sie können da nicht rein«,
sagte der Sanitäter.
»Ich muß aber...«
»Der arme Junge«, meinte Bertha
Cool mitleidig. »Es war seine Lieblingstante.«
Ich ging hinein. Die Besatzung
des Streifenwagens war sehr beschäftigt. Einer von ihnen sagte: »Hier ist
nichts mehr zu machen. Die Leiche darf bis zur amtlichen Leichenschau nicht
berührt werden. Wer hat das Gas abgestellt?«
Ich meldete mich.
»Die Scheibe ist auf meine
Anweisung hin eingeschlagen worden«, ergänzte der Empfangschef. »Es war die
einzige Möglichkeit.«
Bertha warf mir einen
bedeutsamen Blick zu. »Du solltest jetzt hinunter zum Krankenwagen gehen,
Kleiner«, sagte sie.
»Ich kann nicht«, widersprach
ich. »Da ist noch ein wichtiger Brief...«
»Ich weiß, Kleiner. Das kannst
du getrost alles mir überlassen.«
Der Sanitäter legte mir einen
Arm um die Schulter. »Kommen Sie nur. So was geht aufs Herz. Sie haben eine
schöne Portion Gas intus. Sie riechen wie ein Gaswerk!«
Ich gehorchte. In der Halle
betrachteten mich Menschen mit blassen, erschrockenen Gesichtem, als sei ich
ein Mensch von einem anderen Stern. Ich streckte mich auf der Trage im
Krankenwagen aus und bekam eine Spritze. Die Sirene heulte auf.
Langsam wurde mir besser, und
ich fand mich mit meinem Schicksal ab. Im Unfallkrankenhaus war ich jetzt
entschieden am besten aufgehoben, solange die Polizei anderswo so eifrig nach
mir fahndete.
14
Ich hatte schon Krankenbesuch:
Bertha Cool. »Wie geht’s denn, Kleiner? Wenn du willst, kann ich dich gleich
mitnehmen.«
Die Schwester warf einen Blick
auf mein Krankenblatt. »Außer der Gasvergiftung und dem Schock haben wir einen
allgemeinen Erschöpfungszustand festgestellt.«
»Kein Wunder. Der Junge hat
rund um die Uhr gearbeitet. Er ist schließlich kein Riese.«
»Sie müssen sich etwas
schonen«, sagte die Krankenschwester.
»Ich fühle mich schon wieder
ganz leidlich«, meinte ich. »Ich glaube, es wird gehen.«
»Einen Moment«, meinte die
Schwester. »Ich will nur noch den Arzt fragen.«
Ich hörte sie draußen auf dem
Gang telefonieren. Aber ich konnte nicht verstehen, was sie sagte.
»Schieß los«, sagte ich zu
Bertha.
»Du hast richtig getippt — sie
hat den Mord begangen.«
»Und das Geständnis?« fragte
ich. »Kam Alfmont drin vor?«
»Nein. Sie hat es nicht beenden
können. Die Unterschrift fehlte. Aber es
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