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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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verstanden habe, willst du uns ja dorthin
     begleiten.«
    »Und wen genau beabsichtigst du in Tobolsk zu besuchen?«
    »Das ist meine Sache«, erwiderte Lena. »Mit dem Einbruch in unsere Hotelzimmer, dem verschwundenen Talkumpuder und den beiden
     Spitzeln im Niwa hat das nicht das geringste zu tun.«
    »Weißt du, es ist spät geworden«, sagte Sascha, »morgen fahre ich ja wieder den ganzen Tag mit euch durch die Stadt,und abends geht’s nach Tobolsk. Übrigens wäre es einfacher, wir fahren nicht mit dem Zug, sondern mit meinem Auto dorthin.«
    »Gut, ich bespreche das mit Michael. Gute Nacht.«
     
    Michael nahm den Vorschlag, mit Saschas Auto nach Tobolsk zu fahren, mit großer Begeisterung auf. Der Zug brauchte die ganze
     Nacht, und mit dem Wagen konnte man es in drei bis vier Stunden schaffen.
    Vom frühen Morgen an waren sie auf den Beinen – besuchten das Museum für Heimatkunde und die Magazine der Zentralbibliothek
     und unterhielten sich mit einem Ethnologieprofessor aus dem Tjumener Pädagogischen Institut. Ihre Beschatter trotteten müde,
     aber beharrlich hinterdrein, und Lena freute sich insgeheim, daß sie den ganzen Tag lang nichts Interessantes beobachten konnten.
     Sascha war in gedrückter Stimmung, aber höflich.
    »Siehst du«, meinte Lena spöttisch, als sie am späten Abend Tjumen verließen und nach Tobolsk fuhren, »ich bin nur eine friedliche,
     gewissenhafte Dolmetscherin. Nichts weiter. Hör mal, schaffen wir es tatsächlich in drei Stunden?«
    »Wenn es keine Schneewehen auf der Straße gibt, dann ja.«
    »Und wenn es welche gibt, bitten wir unsere netten Begleiter, die Straße zu räumen. Die sind doch bestimmt schon ganz erschöpft
     vom Nichtstun.«
    »Du hast keinen Grund zur Fröhlichkeit«, sagte er kopfschüttelnd, »wir haben herausbekommen, wer dich verfolgt. Der einflußreichste
     Mann in dieser Gegend, sozusagen der Pate der Taiga.«
    »Na schön, ich bin ganz ernst. Gleich kommen mir die Tränen. Habt ihr zufällig auch herausgefunden, was er von mir will?«
    »Wenn du deine Besuche in Tobolsk machst, erzählt er esdir vielleicht selbst. Übrigens kommt Ijewlew heute nacht mit dem Flugzeug an. Er fährt gleich weiter nach Tobolsk. Dann kann
     er sich mit dir herumschlagen.«
    »Warum bist du so grantig? Es stimmt, ich habe einen ehemaligen Sträfling besucht. Aber sicher ist er längst ein ehrlicher,
     gesetzestreuer Bürger geworden.«
    Sascha gab keine Antwort. Er starrte aufmerksam auf die finstere, verschneite Chaussee, die sich an der Eisenbahnlinie entlangschlängelte.
     Auf beiden Seiten der Straße dehnte sich die grenzenlose, undurchdringliche Taiga.

Kapitel 32
    In Moskau war es wieder kalt geworden. Der März war schon zur Hälfte vorbei, aber der Frühling schien es sich noch einmal
     anders überlegt zu haben. Zur Nacht klarte der Himmel auf und bedeckte sich über und über mit funkelnden Sternen. Wolkow lenkte
     seinen alten schwarzen Mercedes über die leere Chaussee. Er fuhr jetzt immer mit diesem Auto, allein, ohne Chauffeur oder
     Bodyguard. In der letzten Zeit wollte er überhaupt nur noch allein sein. Manchmal ertappte er sich dabei, daß er laut dachte,
     mit Lena sprach und sich vorstellte, sie säße neben ihm. Überall sah er ihre schlanke Silhouette, spürte ihren Duft, glaubte
     den Klang ihrer dunklen, vollen Stimme zu hören. Er zählte die Tage bis zu ihrer Rückkehr.
    Jetzt, nach einem langen, schweren Tag, vollgepfropft mit Terminen, Verhandlungen, dummer Musik und fremden, kalten Gesichtern,
     hatte er beschlossen, nicht in der Stadtwohnung zu schlafen, wo Regina auf ihn wartete, sondern auf die Datscha nach Peredelkino
     zu fahren. Er sehnte sich nach Stille, Ruhe, dem letzten weichen Schnee und reiner kalter Luft.
    Er fröstelte ein wenig, achtete aber nicht weiter darauf.Während er fuhr, sprach er einen langen, an Lena gerichteten Monolog:
    »Was ich bisher verdient habe, reicht uns beiden für den Rest des Lebens. Ich habe ein kleines Haus in Griechenland, auf der
     wunderschönen Insel Kreta, direkt am Meer. Dort werden wir leben. Und wenn deine Tochter groß genug ist, schicken wir sie
     zum Studium nach Amerika oder England – wohin du willst. Wir werden gemeinsam alt werden, wir werden uns nicht einen Tag,
     nicht eine Stunde trennen. Ich werde deinem Kind ein guter Vater sein. Ich liebe Lisa schon jetzt, denn sie ist ja ein Teil
     von dir. Heute habe ich eine beträchtliche Summe auf ein Konto in der Schweiz überwiesen, auf

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