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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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hier faul, dachte sie. Wieso werden
     wir so genau unter die Lupe genommen? Ich war doch nur bei der Mutter von Wassili Slepak. Aber man durchsucht unsere Zimmer
     und installiert eine Wanze. Den Talkumpuder haben sie vielleicht für eine Droge gehalten. Als Michael von der Dose Talkum
     erzählt hat, habe ich mir gleich gedacht, daß die lokale Drogenmafia uns sicher für Kuriere hält. Wolkows Leute wären wohl
     kaum hinter einer bunten Blechdose her. Die Typen aus dem Niwa tun sich gar keinen Zwang mehr an. Sie beobachten uns ganz
     offen. Die reinste Ehreneskorte.
    »Vielleicht war das Auto auch sauber«, sagte Sascha, als sie wieder im Hotel angekommen waren. »Hältst du noch eine halbe
     Stunde durch?«
    »Wie meinst du das?« fragte Lena verwundert.
    »Ich hätte nichts gegen eine Tasse von deinem genialen Kaffee.«
    »Glaubst du, in meinem Zimmer kann man ruhig reden? Womöglich ist dort noch eine Reservewanze?«
    »Nein«, sagte Sascha, »jetzt bestimmt nicht mehr. Während wir unseren Ausflug zu den Altgläubigen gemacht haben, ist dort
     jeder Quadratzentimeter untersucht worden.«
     
    »Sag mal, hast du vielleicht irgendwas zu essen?« fragte Sascha, als sie allein waren. »Nachts kriege ich immer Freßanfälle.«
    »Wie mir scheint, auch tagsüber«, bemerkte Lena. »Leider muß ich dich enttäuschen: Außer Tee, Kaffee und Zucker kann ich dir
     nichts anbieten.«
    »Na, dann servier mir deinen Kaffee. Und laß dir etwasgesagt sein, Lena. Mach dein privates Detektivbüro zu. Das kann ein schlimmes Ende nehmen.«
    Lena schnürte ihre Schuhe auf, schlüpfte in Pantoffeln und setzte sich in den Sessel.
    »Welches Detektivbüro, Sascha?« fragte sie.
    »Du weißt schon Bescheid, markier nicht die Ahnungslose. Mir brauchst du keine Komödie vorzuspielen. Ich habe nicht die Absicht,
     als Doktor Watson bei dir anzuheuern.«
    »Wie kommst du darauf, daß ich den Sherlock Holmes spielen will?«
    »Wozu hast du denn den Besuch in der Malaja Proletarskaja gemacht?«
    »Wozu macht man überhaupt Besuche? Ich bin doch nur zu zwei alten, hilflosen Frauen gegangen.«
    »Und woher kennst du diese Pusteblümchen?«
    »He, soll das ein Verhör sein? Was hast du überhaupt für einen Dienstgrad, Herr Milizionär?«
    »Oberleutnant Wolkowez, Sicherheitsdienst der Russischen Föderation«, stellte sich Sascha vor und zog den Ausweis des FSB
     aus seiner Jackentasche.
    »Sehr angenehm«, brummte Lena und sah sich das rote Büchlein genau an.
    »Ein richtiges Verhör werde ich mit dir natürlich nicht veranstalten.« Sascha steckte den Ausweis wieder weg. »Aber ich meine
     es ernst. Mach Schluß mit deinen privaten Ermittlungen.«
    »Vielleicht sollte ich mich überhaupt bei Michael entschuldigen und zurück nach Moskau fliegen? Und du suchst ihm einen anderen
     Dolmetscher?«
    »Ehrlich gesagt, ich würde euch am liebsten beide nach Hause schicken«, sagte Sascha nachdenklich.
    »Mit welcher Begründung?«
    »Mit der Begründung, daß weder ich noch meine Behörde noch sonst irgendwer hier eure Sicherheit garantieren kann.«
    »Und wenn ich dir sage, daß diese Omis von der Malaja Proletarskaja nur die Mutter und die Tante meines alten Bekannten Wassja
     Slepak sind? Beruhigt dich das?«
    Sascha riß die Augen so weit auf, daß ihm die Brille auf die Nasenspitze rutschte. Er konnte einem direkt leid tun.
    »Na schön«, sagte Lena seufzend. »Wassja Slepak hat vor ewigen Zeiten mal für eine Jugendsünde gesessen. Im Lager ist es ihm
     übel ergangen – er wurde von allen mißbraucht. Ich habe ihn kennengelernt, als ich mit einer Gruppe aus unserer Redaktion
     dort aufgetreten bin. Das ist schon endlos lange her, du warst damals noch ganz klein. Später habe ich durchgesetzt, daß eins
     seiner Gedichte veröffentlicht wurde. Die Zeitschrift habe ich seiner Mutter geschickt. Wassja und ich haben noch eine Zeitlang
     korrespondiert. Und jetzt, wo ich hier in Tjumen bin, habe ich Wassjas Mutter aufgesucht – aus Neugier oder anderen normalen
     menschlichen Regungen. Sieht das aus, als wollte ich Detektiv spielen?«
    Obwohl Lena durchaus Vertrauen zu diesem mageren, immer hungrigen Sicherheitsmann hatte, war sie es doch langsam leid, ständig
     die gleiche Geschichte zu erzählen, die außerdem jeden Tag komplizierter und verworrener wurde. Sie wollte nicht zum wiederholten
     Male Spott und Unverständnis in fremden Augen sehen.
    »Und ich warne dich, ich werde auch in Tobolsk Besuche machen. Wenn ich dich recht

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