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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Michael. »Du trinkst ja keinen Kaffee
     zum Frühstück.«
     
    Sie mußte gleich dreimal Kaffee aufsetzen. Sascha trank ihn gläserweise.
    »Hast du keine Angst um dein Herz?« fragte Lena, während sie einen Schluck aus ihrer kleinen Tasse nahm.
    »Soll ich etwa aus so einem Fingerhut trinken?« sagte Sascha und lachte. »Außerdem ist dein Kaffee wirklich exzellent, und
     über mein Herz kann ich bisher nicht klagen. Also, was ist nun mit der psychologischen Beratungsstelle?«
    »Heute ist das nicht mehr drin. Michael hat große Pläne. Er will ins Museum für Heimatkunde und noch ein paar Dörfer abklappern,
     alles an einem Tag. Übrigens, weißt du zufällig, ob in Sagorinskaja noch Altgläubige leben?«
    »Ja, da gibt es welche. Aber bis Sagorinskaja sind es über hundert Kilometer. Anderthalb Stunden hin, anderthalb zurück. Das
     heißt, drei Stunden allein für die Fahrt. Und jetzt ist es schon zwölf. Das heißt, das Museum müssen wir auf morgen verschieben.«
    Lena übersetzte Michael diese Nachricht.
    »Okay«, sagte er, »verschieben wir das Museum. Wenn ich mit echten Altgläubigen reden kann, vergesse ich vor Freude sogar
     meinen Talkumpuder.«
    »Sag ihm, daß die Altgläubigen nicht gerade kontaktfreudig sind. Sie leben sehr zurückgezogen«, mahnte Sascha.
    »Michael kriegt jeden zum Sprechen, sogar einen Taubstummen ohne Dolmetscher. Wenn ich für ihn arbeite, vergessen seine Gesprächspartner
     schnell, daß ich übersetze. Sie haben das Gefühl, direkt mit ihm selber zu sprechen. Michael ist ein Kommunikationsgenie.«
    Nach dem Kaffee rauchten Lena und Sascha. Michael verzog angeekelt das Gesicht und wedelte mit den Armen.
    »Ich gehe auf mein Zimmer und ziehe mich an.«
    »Michael ist militanter Nichtraucher«, erklärte Lena. »Ich spüle noch rasch den Kaffeetopf, wir müssen los.«
    Im Bad fiel ihr ein, daß sie den Tauchsieder auf demTisch vergessen hatte. Auch er mußte gespült werden. Als sie ins Zimmer zurückging, saß Sascha auf dem Nachttisch und schraubte
     das Telefon auf. Er sah sie an, blinzelte ihr durch die Brille zu und schüttelte vielsagend den Kopf. Ohne ein Wort zu verlieren,
     nahm Lena den Tauchsieder und ging ins Bad zurück.

Kapitel 31
    »Du bist ein Idiot! Ein Volltrottel!« Das waren noch die harmlosesten Ausdrücke, mit denen der kleine dicke Glatzkopf, genannt
     Locke, seine Rede würzte.
    Er lag auf einer mit einem weißen Laken bezogenen Liege, bekleidet nur mit Unterhosen. Eine kräftige, vollbusige Schönheit
     in einem koketten Kittelchen walkte seine behaarten Lenden durch.
    »Ich hab mir gedacht, das ist bestimmt Koks oder Hasch, echt«, nuschelte, den Blick auf den Boden gerichtet, ein stämmiger
     Bursche. Er stand barfuß auf dem dicken Teppich des Massageraums. Unter den kurzen, weiten Hosenbeinen guckten seine Beine
     hervor, auf denen eintätowiert war: »Sie sind müde.«
    »Er hat gedacht!« Der Glatzkopf setzte sich abrupt auf. »Habe ich dir befohlen, zu denken? Was ist dir gesagt worden?«
    »Ich soll sie ein bißchen beobachten.« Der Bursche zog den Kopf ein und schien gleichsam zu schrumpfen. »Und eine Wanze anbringen.«
    »Richtig«, sagte der Glatzkopf, »beobachten. Warum hast du dann in ihren Zimmern herumgeschnüffelt?«
    »Ja, also… Ich wollte doch bloß das Beste, echt …«
    »Na gut«, Locke winkte ab, »mach dich vom Acker, steh mir nicht länger unter den Füßen rum. Für heute kannst du blaumachen.«
    Mit einem Seufzer streckte er sich auf der Liege aus, und die schweigsame Schönheit machte sich wieder ans Werk.
    »Da siehst du, Nina, mit was für Leuten ich arbeiten muß«, klagte Locke. »Nichts kriegen die in ihren Schädel. Das ist nun
     die neue Generation, der Teufel soll sie holen … Die Zone ist auch nicht mehr das, was sie mal war, die bringt ihnen nichts
     bei, die verdirbt das schwächliche Jungvieh bloß. Stumpf und blöd werden sie heutzutage in der Zone. Und die Moral geht auch
     den Bach runter. Dort entscheidet nur noch das Geld, nicht das Gesetz. Nicht so wie früher.«
    Nina nahm etwas Massagecreme, verrieb sie in den Handflächen und begann Lockes schlaffe, fette Schultern zu kneten, auf denen
     die eintätowierten Abzeichen eines Generals prangten.
    »Es gibt auch niemanden mehr, mit dem man sich beraten kann«, fuhr Locke fort, »man kann keinem mehr glauben, keiner Menschenseele.
     Eigentlich habe ich überall meine Leute. Wieviel Geld gebe ich allein für Spitzel aus! Dabei nutze ich ihre Dienste

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