Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
Vom Netzwerk:
eine der sichersten Banken der
     Welt. Das ist unser gemeinsames Geld, unsere Zukunft. Den Konzern überlasse ich meiner Frau, er ist für sie das Wichtigste.«
    Er fuhr auf das Haus zu, ohne zu bemerken, daß im ersten Stock, in Reginas Zimmer, Licht brannte. Der Wachmann schlief wie
     immer in seinem Häuschen. Die Köchin kam ihm lächelnd entgegen.
    »Regina Valentinowna hat gesagt, sie wolle ohne Sie nicht zu Abend essen«, teilte sie ihm munter mit.
    Er zuckte zusammen. Das Frösteln verstärkte sich, Kopfschmerzen und eine watteartige Müdigkeit kamen hinzu.
    »Da haben wir’s«, sagte Regina, als sie ihn auf die Stirn küßte. »Du hast Fieber. Nun hast du dir also doch noch diese gräßliche
     Grippe eingefangen. Schnell ins Bett mit dir.«
    »Ich dachte, du wärst in Moskau«, sagte er mit schwerer Zunge.
    »Ich hatte so ein Gefühl, daß du hierherfährst. Komm, ich bringe dich ins Bett.«
    Das Fieberthermometer zeigte neununddreißig Grad an. Regina zog ihm Schuhe und Hose aus, band ihm die Krawatte los.
    »Wie konntest du bloß mit so hohem Fieber Auto fahren?Warum hast du nicht angerufen? Ich hätte dir den Chauffeur geschickt oder dich selbst abgeholt.«
    Erst jetzt merkte er, wie schlecht er sich fühlte. Schüttelfrost wechselte mit Schweißausbrüchen, alle Muskeln schmerzten
     gleichzeitig, auch die Haut tat weh. Sogar die Berührung des leichten Lakens war rauh und unangenehm.
    Regina führte ein Glas mit einer durchsichtigen Flüssigkeit voller kleiner, stachliger Bläschen an seine Lippen. Sie schmeckte
     säuerlich.
    »Was ist das?« fragte er, nachdem er gehorsam alles restlos ausgetrunken hatte.
    »Lösliches Aspirin. Dein Fieber wird gleich zurückgehen, versuch einzuschlafen.«
    Sie ließ nur eine kleine Nachttischlampe brennen und setzte sich leise in einen Sessel neben sein Bett. Wenige Minuten später
     war er eingeschlafen. Sein Atem ging schnell und röchelnd. Auf seiner Stirn glänzten Schweißtropfen, sein Mund war halb geöffnet.
    Was soll’s, dachte Regina, während sie sein bleiches, verschwitztes Gesicht betrachtete. Das kommt durchaus gelegen. Bis er
     wieder auf den Beinen ist, wird alles vorbei sein. Er kann mir nicht in die Quere kommen, krank, wie er ist. Wie die meisten
     kranken Männer wird er heftig leiden, sich selbst bedauern und an nichts anderes mehr denken.
    »Lena«, hörte sie sein heiseres Flüstern, »meine Lena … ich fühle mich so elend … Es ist unser Geld … Dort ist es im Winter
     warm, das Meer ist ruhig und klar … hilf mir …«
    »Wenja«, rief Regina ihn leise an, »hörst du mich?«
    »Wir tun niemandem weh … niemandem, niemals … Sie verzeihen uns … Das war nicht ich, das war ein anderer Mann, aus einem anderen
     Leben … eine sichere Bank …«
    Regina stand aus dem Sessel auf, ging zum Bett und beugte sich über sein blasses Gesicht.
    »Wenja, ich bin hier, ich liebe dich«, sagte sie mit tiefer Stimme und fuhr mit der Hand über seine geschlossenen Augen, ohne
     sie zu berühren.
    Seine Lider begannen zu zucken und hoben sich langsam. Er starrte sie mit roten, entzündeten Augen an und sagte:
    »Regina, laß das. Ich schlafe nicht. Geh in dein Zimmer.«
    »Ich möchte lieber noch eine Weile bei dir sitzen. Willst du vielleicht einen Tee?«
    »Nein. Ich brauche nichts. Geh bitte.«
    »Gut«, sagte sie und legte ihm die Hand auf die Stirn. »Ich glaube, die Temperatur ist gesunken. Sollen wir sie messen?«
    Er stützte sich auf den Ellenbogen und sah ihr in die Augen.
    »Sag mal, warum hast du diese plastischen Operationen machen lassen?«
    »Na, guten Morgen!« sagte sie lächelnd. »Du tust, als wäre das gestern gewesen! Wie kommst du jetzt plötzlich darauf?«
    »Früher war dein Gesicht schöner. Es war mir vertraut.«
    »Wenja, es war scheußlich.«
    »Es war echt. Ich habe es geliebt. Warum hast du das getan?«
    »Mit diesem Gesicht konnte ich nicht leben«, sagte Regina kaum hörbar.
    »Mit einem fremden Gesicht kann man nicht leben, mit dem falschen Gesicht einer Puppe.« Er ließ sich wieder auf das Kissen
     fallen und schloß die Augen. »Verzeih mir. Ich wollte dich nicht kränken. Geh schlafen. Es ist schon spät.«
     
    »Regina Valentinowna, soll ich vielleicht einen Arzt rufen?« fragte Ljudmila flüsternd, als sie im Wohnzimmer aufeinandertrafen.
     »Es heißt, diese Grippe bringt scheußliche Komplikationen mit sich, für Herz und Nieren.«
    »Ich bin selber Ärztin«, sagte Regina lächelnd. »Überlegdir lieber etwas

Weitere Kostenlose Bücher