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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Freunde, darum wollte ich dich rechtzeitig warnen.«
     
    Locke verfügte über wichtige und vielversprechende Geschäftsverbindungen in Amerika, und daher war er ziemlich sicher, daß
     die Nachricht von der Ankunft des CIA-Psychologen keine Falschmeldung war. Seinerzeit wäre er in Boston beinahe geschnappt
     worden, als er die Dummheit begangen hatte, zur feierlichen Eröffnung einer kleinen pharmazeutischen Firma höchstpersönlich
     zu erscheinen. Er wollte gern einen Blick auf seine Neuerwerbung werfen, die natürlich durch Strohmänner für ihn gekauft worden
     war. Er konnte sich noch rechtzeitig aus dem Staube machen, war aber seitdem in den Computern des CIA registriert. Nachdem
     die Amerikaner den legendären Japontschik 1 gefaßt hatten, waren sie offensichtlich vom Jagdfieber gepackt – und sie taten gut daran, denn die Spitzen der russischen Kriminalität arbeiteten auf internationalem Parkett und würden ihnen bald bestens vertraut sein.
    Daher war Locke sehr nervös. Die neugierige Journalistin war gleich zu Beginn ausgerechnet in die Malaja Proletarskaja gefahren,
     zur Mutter und zur Tante des Blinden.
    Daß dieses erbärmliche »Hähnchen« 2 , dieser Wassili Slepak, einer der besten und teuersten Killer Rußlands geworden war, kränkte jemanden wie Locke, einen Dieb
     vomalten Schlage, zutiefst. Ein Entehrter konnte und durfte kein Killer werden. Das widersprach dem Diebeskodex. Noch schlimmer
     war, daß Locke selber ihn schon zweimal für seine Dienste bezahlt hatte. Beide Male hatte er sich in einer Lage befunden,
     in der er sich an niemanden sonst wenden konnte.
    Der Blinde tat seine Arbeit wie ein echter Künstler. Für ihn existierten keine Wachen und keine gepanzerten Wagen, er erwischte
     jeden, selbst den Präsidenten, egal wo. Niemals nahm er auch nur eine Kopeke im voraus. Immer gab er nur einen Schuß ab, und
     der verfehlte niemals sein Ziel. Noch nie war durch seine Hand ein Wachmann oder ein zufälliger Passant umgekommen. Wenn er
     sein Werk getan hatte, verschwand er, als hätte es ihn nie gegeben.
    Vor fünf Jahren hatte Locke seinen Widerwillen überwunden und sich zum erstenmal an den Blinden gewandt. Er hatte sich damals
     geschworen – nur dies eine Mal, danach nie wieder.
    Der Blinde sollte den Auftrag ausführen, danach, so war es geplant, wäre er selbst an der Reihe. Aber nach diesem ersten Auftrag
     tauchte gleich der nächste, noch wichtigere, noch unangenehmere auf, von dem überhaupt niemand etwas wissen durfte, auch die
     eigenen Leute nicht. Und Locke beschloß: Gut, noch einmal benutze ich ihn, und danach … Aber danach war der Blinde sofort
     verschwunden. Und alle, die Locke auf seine Spur setzte, verschwanden ebenfalls – spurlos.
    So trieb sich nun am Ende irgendwo ein kluges, gerissenes »Hähnchen« herum, das viel zuviel wußte und vor niemandem Respekt
     hatte, unberechenbar und nicht zu erwischen. Deshalb war die dolmetschende Journalistin, die mit dem CIA-Mann angereist war
     und seelenruhig drei Stunden bei der Mutter des Blinden gesessen und mit ihr geredet hatte, eine unangenehme Überraschung
     für Locke. Regina Gradskaja hatte recht, dieses Weib war allzu neugierig – in jeder Beziehung.
    Nach dem Besuch in der Malaja Proletarskaja war diese sonderbare Gesellschaft, bestehend aus dem FSB-Mitarbeiter, dem CIA-Mann
     und der Journalistin, nach Sagorinskaja gefahren. Dort aber, tief in der Taiga, nur fünfzig Kilometer von dem Dorf der Altgläubigen
     entfernt, befanden sich Lockes eigene Ölfelder. Die Förderung besorgte eine staatliche Firma, aber natürlich gehörte das Öl
     ihm. Schnüffler konnte er dort jedenfalls nicht brauchen.
    In Tobolsk besuchte die Journalistin aus irgendeinem Grund die Mutter des vor vielen Jahren ermordeten Bullen. Mit dem hatte
     Locke zwar persönlich nie etwas zu tun gehabt, aber auch dieser Besuch hatte sicher etwas zu bedeuten. Und als sich dann noch
     herausstellte, daß das lästige Dreigespann das Altersheim aufsuchte, genau das Heim, in dem ein ganzes Stockwerk für die persönlichen
     Gemächer von Lockes senilem Vater reserviert war, riß dem alten Dieb die Geduld. Diese Leute mußte man unverzüglich stoppen.
    Der Greis haßte seinen Sohn bis aufs Blut, wollte ihn nicht sehen und begann bei seinem Anblick jedesmal mit scheppernder
     Stimme zu schreien: »Dieb! Mörder!« Auch Locke hegte für seinen Vater schon lange keine Gefühle mehr, er erfüllte nur seine
     Sohnespflicht. Früher wäre es ihm

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