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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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ganzen Viertel spricht man von nichts anderem. Trotzdem, ich hatte gehofft, es sei ein Zufall. Nicht weit von hier, auf der
     Lugowaja, wohnt eine Schulfreundin von mir. Sie lebt allein, das Haus ist riesig und warm. Ihr verstorbener Mann war General
     bei der Luftfahrt, seine Wohnung hat sie ihrem Sohn gegeben, und sie selbst ist auf die Datscha gezogen. Wir könnten zu ihr
     fahren. Sie würde sich freuen.«
    Sergej überlegte eine Sekunde, dann nickte er. »Ja, das ist vielleicht keine schlechte Lösung.«
    »Serjosha, sie werden Lena doch nichts tun?«
    »Wo denken Sie hin, Vera Fjodorowna, an Lena kommen sie nicht heran. Sie ist ja weit weg, in Sibirien«, antworteteSitschkin an Krotows Stelle. »Und wenn sie zurückkommt, wird alles gut sein.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Wir werden uns bemühen.«
    ***
    Lena spürte, daß irgend etwas geschehen war. Längst war es Abend und das winzige Fenster unter der Decke schwarz geworden.
     Sie aber schien man ganz vergessen zu haben.
    Sie hatte über ihr Gespräch mit dem Glatzkopf nachgedacht. Gut möglich, daß er ein Bekannter der Gradskaja war. Aber daß ein
     Mann von seinem Kaliber sich von ihr als Killer anheuern ließ, war kaum vorstellbar.
    Vermutlich hatte die Gradskaja ihn aus alter Freundschaft gebeten, sich um Lena zu kümmern. Aber für eine solche Bitte mußte
     sie wichtige Gründe anführen können. Und die Wahrheit würde sie dem Unterweltkönig um keinen Preis sagen. Also mußte sie irgendeine
     glaubwürdig klingende Geschichte erfinden. Was konnte sie sich ausgedacht haben? Daß Michael ein amerikanischer Mafioso sei,
     ein Konkurrent, der es auf Öl und Gold abgesehen hätte? Nein, das war Blödsinn. Russische Banditen in Amerika, ja, die gab
     es reichlich, aber amerikanische Banditen in Rußland – davon hatte Lena noch nie gehört. Außerdem wäre das leicht zu überprüfen.
     Was aber wäre nicht überprüfbar? Vielleicht hatte die Gradskaja angedeutet, Michael sei ein Agent des CIA? Ja, das war schon
     eher möglich.
    Die Tür ging auf. Die Taubstumme rollte einen Servierwagen herein. Zwei Käsebrote, ein Apfel, eine Banane und eine große Tasse
     starker Tee waren darauf.
    »Danke«, sagte Lena.
    Sie hatte überhaupt keinen Appetit, das Essen blieb ihr in der Kehle stecken. Aber sie mußte bei Kräften bleiben, und deshalb
     zwang sie sich, fast alles aufzuessen. Das Mädchenstand an die Wand gelehnt und beobachtete sie. Aber Lena fühlte sich dadurch nicht gestört, der Blick des Mädchens schien
     ihr freundlich, sogar mitfühlend zu sein. Ehe sie den Servierwagen wieder hinausschob, berührte die Taubstumme Lenas Arm und
     machte eine Kopfbewegung zu der Ecke hinüber, in der sich die winzige Toilette befand. Lena verstand sie erst nicht, aber
     das Mädchen nahm einen Lippenkonturenstift aus der Tasche und nickte noch einmal zur Toilette hinüber. Sie gingen zusammen
     in die enge Kabine, das Mädchen schloß die Tür und begann mit dem roten Stift rasch auf die weißen Kacheln zu schreiben.
    »Dein Kind ist in Sicherheit«, las Lena.
    Sofort wischte die Taubstumme die Aufschrift mit einem angefeuchteten Taschentuch wieder weg. Lena wollte ihr den Stift aus
     der Hand nehmen, aber das Mädchen schüttelte den Kopf und bewegte vielsagend die Lippen. Lena begriff. Langsam flüsternd sagte
     sie:
    »Danke. Was ist passiert?«
    »In der Nacht hat sie jemand geholt und weggebracht. Sie haben den ganzen Tag gesucht, aber vergebens.« Wieder verschwand
     die Aufschrift.
    Lenas Herz klopfte rasch und freudig. Natürlich! Letzte Nacht wollte Serjosha zurückkommen. Mischa Sitschkin wird ihm alles
     erzählt haben, und Serjosha hat sofort gehandelt.
    »Laß dir nicht anmerken, daß du Bescheid weißt«, schrieb das Mädchen.
    »Ja, natürlich«, flüsterte Lena und fragte plötzlich, unerwartet für sich selber: »Wer ist der Blinde?«
    »Ein Killer.«
    Sofort verschwanden die Worte wieder. Lena begriff, daß das Gespräch beendet war. Das Mädchen schob rasch, ohne sie anzusehen,
     den Servierwagen hinaus. Das Türschloß schnappte zu. Lena zog Stiefel, Pullover und Jeans aus. In T-Shirt und dünner Strumpfhose
     setzte sie sich aufs Bettund zündete sich eine Zigarette an. Sie fühlte sich, als hätte man sie gerade aus einem staubigen schwarzen Sack, in dem sie
     keine Luft bekam, ins Freie gelassen. Jetzt hatte sie Lust, sich von Kopf bis Fuß zu waschen, die Zähne zu putzen und dann
     zu schlafen.
    »Ich muß dieses fabelhafte Mädchen um

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