Die leichten Schritte des Wahnsinns
leise und räusperte sich sofort hinter
vorgehaltener Faust.
Sehr gut, dachte Lena, eins zu null für mich. Die Information hat er tatsächlich von der Gradskaja.
»Regina Valentinowna hat Ihnen aus alter Freundschaftmitgeteilt, daß ein mysteriöser Amerikaner herkommt, höchstwahrscheinlich im Auftrag des CIA, begleitet von einer Dolmetscherin,
die ebenfalls mit allen möglichen unerfreulichen Behörden in Verbindung steht. Richtig?«
Locke nahm eine Zigarette aus der Schachtel, zündete sie an und fixierte Lena schweigend.
»Auf nüchternen Magen zu rauchen ist ausgesprochen ungesund«, bemerkte Lena. »Aber weiter. Als kluge und vorsichtige Frau
hat Ihnen Regina Valentinowna keine genaueren Details verraten, sie hat gesagt, es ist eine vage Information, vielleicht nur
Gerede. Dadurch hat sie einerseits Ihre Neugier noch mehr angestachelt, andererseits sich selber gegen den Fall abgesichert,
daß Sie womöglich alles genau überprüfen und feststellen, daß Michael Barron keineswegs ein Agent des CIA ist. Im übrigen
ist es äußerst schwierig, so etwas zu überprüfen. Aber wer weiß. Im Leben kommt mancherlei vor. Und Regina Valentinowna will
auf keinen Fall als Betrügerin vor Ihnen dastehen.«
Wadik erschien mit einem Tablett. Der Duft von Rührei mit Schinken erfüllte das Zimmer. Während der Bandit gewandt wie ein
echter Kellner Tassen, Teller und die heiße Kaffeekanne auf den Tisch stellte, schwieg Lena. Auch Locke schwieg und starrte
Lena immer noch mit schwerem Blick an. In einer anderen Situation wäre sie unter diesem eiskalten, durchdringenden Blick vielleicht
zusammengezuckt. Aber in diesem Moment durfte sie sich nicht den leisesten Anflug von Furcht erlauben. Das spürte sie geradezu
physisch.
»Danke, Wadik, das ist sehr lecker«, sagte sie, während sie einen Happen Rührei in den Mund beförderte.
»Verschwinde«, knurrte der Hausherr den Banditen an, »und mach die Tür zu.«
»Ich muß Ihnen noch sagen«, fuhr Lena fort, nachdem die Tür sich hinter Wadik geschlossen hatte, »daß es in Wirklichkeit ganz
einfach gewesen wäre, diese Information zuüberprüfen. Sie hätten dafür nicht einmal etwas tun müssen, es hätte gereicht, ein klein bißchen nachzudenken.« Sie nahm einen
Schluck Kaffee und bestrich eine Scheibe geröstetes Weißbrot sorgfältig mit Butter. »Ein echter CIA-Agent wäre erheblich jünger.
Er würde ausgezeichnet Russisch sprechen, perfekt den Kriminellenjargon und sämtliche Kampfsportarten beherrschen. Er würde
im verborgenen agieren. Und von seiner Ankunft würde Ihnen keine Regina Valentinowna berichten. Wenn die Sache auch nur im
entferntesten mit dem CIA oder dem FSB zu tun hätte, würde sie Ihnen überhaupt nichts erzählen. Schließlich sind Sie nicht
ihr Mann oder ihr Bruder, stimmt’s? Wieso sollte sie ein solches Risiko eingehen und sich auf fremde Spiele einlassen? Aus
alter Freundschaft zu Ihnen? Nein, der springende Punkt ist der, daß die Sache sie persönlich betrifft, sie und ihren Mann,
Wenjamin Borissowitsch Wolkow. CIA, FBI, FSB und so weiter haben hierbei nichts zu suchen.«
Lena aß ihren Toast auf, trank den Kaffee, steckte sich eine Zigarette an und erzählte dem Mafiaboß alles der Reihe nach,
angefangen bei den Ereignissen vor vierzehn Jahren bis zu dem Gespräch mit Regina Gradskajas Mutter vor zwei Tagen. Die Einzelheiten,
die sie selbst betrafen, umging sie vorsichtig und berichtete nur die ihr bekannten Fakten. Locke lauschte schweigend und
konzentriert. Als sie geendet hatte, herrschte im Zimmer gespannte, fast explosive Stille. Es dauerte eine ganze Ewigkeit,
bis er schließlich sagte:
»Was du erzählt hast, ist sehr ernst. Ich muß es überprüfen.«
Lena nickte. »Ja, ich verstehe.«
»Du mußt vorläufig noch hierbleiben.«
»Und meine Tochter?« fragte Lena und dachte an das taubstumme Mädchen.
»Deine Tochter lassen wir in Ruhe.« Er lehnte sich entspannt im Sessel zurück und fügte hinzu: »Vorläufigjedenfalls. Später wird man sehen. Wann kommt übrigens dein Mann zurück?«
»Morgen abend«, erwiderte Lena, ohne mit der Wimper zu zucken. »Wladimir Michailowitsch, ich habe eine persönliche Bitte an
Sie.«
»Raus damit.«
»Eine heiße Dusche, frische Bettwäsche, Pantoffeln und einen Spiegel«, zählte Lena auf. »Ja, und eine Bettdecke und ein Kopfkissen.«
»Kein Problem«, sagte er, »das kannst du haben.«
***
»Du siehst also, Nina, wir müssen sie
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