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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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sie aus dem Zimmer auf den halbdunklen Flur. Mischa, der als letzter hinausging, zog behutsam
     die Tür zu. Aber das englische Automatikschloß klackte trotzdem verräterisch.
     
    »Kein Schwanz zu sehen«, erklärte der Bandit im Nachbarzimmer seinem Kumpel.
    Er war gerade, nur mit Unterhose bekleidet, vom Balkon ins Zimmer zurückgekehrt und krümmte sich vor Kälte. Es zog ihn so
     schnell wie möglich wieder unter die warme Decke.
    »Still!« fuhr ihn der andere, der auf dem Bett saß und auf die Geräusche hinter der Wand lauschte, flüsternd an.
    »Nun mach mal halblang, echt«, sagte der erste gähnend. »Die Alte ist wahrscheinlich bloß pinkeln gegangen, aber du bist gleich
     mit den Nerven fertig! Wo sollen die um drei Uhr nachts denn schon hin?«
    »Halt die Klappe, sag ich!« Der gewissenhaftere Bandit sprang vom Bett, öffnete leise die Zimmertür und spähte auf den Flur
     hinaus.
    Dort herrschte Totenstille, kein Laut war zu hören. Vorsichtshalber blieb er noch eine Weile stehen und lauschte auf die friedliche,
     verschlafene Stille des nächtlichen Hauses. Mit dem Aufzug würde jetzt natürlich niemand fahren, das war ihm klar. Viel interessanter
     war die Treppe am Ende des Flurs. Barfuß schlich er über den abgeschabten Teppich und beugte sich über das Geländer. Aber
     auch im Treppenhaus war es still und leer.
    »Unsinn«, sagte er, »so schnell hätten sie nicht nach unten laufen können. Das hätte man gehört.«
    Der gewissenhafte Bandit wußte: Das Kind und die Alte konnten ihn den Kopf kosten, wenn etwas schiefging. ImUnterschied zu seinem leichtsinnigen Kumpel war er sehr um seinen Kopf besorgt. Aber vorläufig war alles ruhig. Und wirklich,
     wo sollten sie nachts um drei schon hin? Das bißchen Getrampel – na und? Alte Leute leiden oft unter Schlaflosigkeit, und
     Kinder wachen manchmal mitten in der Nacht auf, müssen Pipi machen oder wollen etwas trinken. Er kehrte ins Zimmer zurück,
     wo sein Freund schon friedlich schnarchte, und hielt dem Schnarcher mit zwei Fingern die Nase zu. Der schmatzte einmal und
     hörte auf zu schnarchen. Der gewissenhafte Bandit horchte auf die Stille hinter der Wand.
    »Die schlafen längst wieder, ehrlich!« brummte er, gähnte erleichtert und legte sich auch ins Bett.
     
    Die Treppe und der Aufzug lagen am rechten Ende des Flurs. Links, am anderen Ende, befand sich eine Sitzecke mit Sesseln,
     Palmenkübeln, einem kleinen Tisch und einem Fernseher. Jetzt war es dort vollkommen finster. Krotow beschloß, für alle Fälle
     noch etwas abzuwarten und nicht sofort zur Treppe zu gehen. Wer immer da hinter der Wand geraschelt und vom Balkon aus ins
     Zimmer zu sehen versucht hatte, würde sicher sofort die Treppe kontrollieren. Aber zu viert, mit einem kleinen Kind auf dem
     Arm und einer dicken älteren Frau im Schlepptau, konnten sie unmöglich schnell und geräuschlos vom achten Stock ins Erdgeschoß
     gelangen.
    Als Vera Fjodorowna die vorsichtigen Schritte hörte, preßte sie die Hand gegen den Mund. Zuerst entfernten sich die Schritte,
     der Mann ging zur Treppe. Einige Minuten lang war es still. Dann waren die Schritte erneut zu hören. Sie näherten sich. Vera
     Fjodorownas Herz begann zu hämmern. Aber die Schritte verstummten in der Mitte des Flurs. Ein Türschloß schnappte. Sie warteten
     noch einige Minuten, dann bewegten sie sich still und leise auf die Treppe zu.
    Nach draußen gelangten sie durch die verglaste Kantine.Die Tür hatte nur ein Schnappschloß. Vera Fjodorowna führte sie zu der Stelle am Zaun, wo die Eisenstäbe ein ganzes Stück
     auseinanderklafften. Sie selbst wäre fast steckengeblieben, zwängte sich aber schließlich doch hindurch.
    »Und wohin jetzt?« fragte Gontschar, als sie endlich im Auto saßen.
    »Laß mich überlegen«, sagte Krotow und schob sich die schlafende Lisa bequemer auf dem Schoß zurecht.
    »Vielleicht zu mir?« schlug Mischa vor.
    Krotow schüttelte den Kopf. »Da haben sie uns im Handumdrehen gefunden.«
    »Warum können wir nicht nach Hause, Serjosha?« fragte Vera Fjodorowna.
    Bis zu diesem Moment hatte sie sich tapfer und ruhig verhalten und keine überflüssigen Fragen gestellt. Erst jetzt, im Auto,
     zitterte ihre Stimme.
    »Vera Fjodorowna«, begann Krotow vorsichtig, »ich bin in Schwierigkeiten. Es ist besser, wenn Sie mit Lisa einige Zeit untertauchen.«
    »Ich habe es gewußt«, seufzte Vera Fjodorowna. »Es war kein Versehen, daß ausgerechnet Lisas Kinderwagen explodiert ist. Im
    

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