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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Nimm etwas Schnee, und versuch, das Blut abzureiben.«
    »Was hast du in der Flasche?«
    »Spiritus.«
    »Wozu dann mit Schnee? Das könnte eine Infektion geben.«
    »Es ist nicht viel Spiritus. Ich brauche ihn noch. Der Schnee hier ist sauber, fast steril. Tu, was ich dir sage.«
    Lena kratzte eine Handvoll weichen Schnee unter der harten Eiskruste hervor und begann vorsichtig, das Blut um die Wunde herum
     abzureiben. Der Killer hielt still und verzog keine Miene.
    »Es blutet nicht stark, fast gar nicht mehr. Ich glaube, ich fühle, wo die Kugel sitzt«, sagte Lena. »Hast du so etwas wie
     ein Taschentuch? Ich muß die Wunde verbinden.«
    »Nein, ich habe kein Taschentuch. Einen Verband kannst du nachher machen, nicht jetzt. Jetzt schneidest du die Wunde auf und
     holst die Kugel raus.«
    Lena untersuchte die Wunde genauer. Die Kugel saß direkt unter der Haut, ein Arzt hätte sie vermutlich in ein paar Minuten
     herausgeholt, selbst unter diesen Bedingungen. Aber Lena hatte, abgesehen von Holzsplittern, noch nie etwas aus der Haut eines
     Menschen entfernt. Doch sie begriff, daß Wassja recht hatte, die Kugel mußte heraus. Sonst konnte es eine Entzündung oder
     noch Schlimmeres geben.
    »Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte er freundlich, »ich kenne die menschliche Anatomie ganz gut. In diesemBereich gibt es keine wichtigen Arterien. Ich spüre, daß sie dicht unter der Haut sitzt. Außer dir kann es niemand machen.
     Und es muß gemacht werden.«
    In den Taschen der fremden Lammfelljacke fand Lena nur eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug. Sie zog den Reißverschluß
     auf und tastete die Innentasche ab. Dort lagen fünfhundert Dollar. Sonst nichts. Was sie brauchte, war ein sauberes Taschentuch.
     Sie zog die Jacke aus, zerrte ihr langes T-Shirt aus den Jeans und schnitt mit dem Finnenmesser rundherum einen etwa dreißig
     Zentimeter langen Streifen vom unteren Ende ab. Diesen Streifen schnitt sie in mehrere kleine Stücke. Mit dem Spiritus rieb
     sie sorgfältig ihre Hände, die Messerklinge und die Wundränder ab. Sie holte tief Luft, blickte zum klaren Morgenhimmel auf
     und bekreuzigte sich. Dann spannte sie die Haut rings um die Wunde und machte mit rascher Bewegung einen präzisen Schnitt.
    »Gut gemacht«, lobte der Killer sie. »Kannst du sie sehen?«
    »Ja.«
    Lena sah ein dunkles Metallstückchen. Die Kugel war klein und sehr glitschig. Sie bemühte sich, nicht an den Schmerz zu denken,
     den sie Wassja Slepak jetzt zufügen mußte. Ihre Finger waren schmal und geschickt, aber zum erstenmal im Leben bedauerte sie
     es, keine langen Nägel zu haben. Dann wäre es sehr viel leichter gewesen, die Kugel zu fassen.
    Schließlich hatte sie es geschafft und reichte Wassja das kleine, längliche Stückchen Blei.
    »Das kannst du wegwerfen«, sagte er.
    Sie tränkte noch einen Fetzen Stoff mit Spiritus, rieb damit die Wunde gründlich aus und machte mit dem übriggebliebenen langen
     Stoffstreifen einen festen Verband um die Schulter.
    »Sag mal, Lena Poljanskaja, warum bist du nicht Ärztingeworden?« fragte der Killer, als er sich vorsichtig das Matrosenhemd überzog.
    »Ich frage dich auch nicht, Wassja Slepak, warum du keine Gedichte mehr schreibst, sondern unter die Killer gegangen bist«,
     erwiderte sie mit einem schwachen Lächeln. »Gib mir lieber noch ein Stück Schokolade.«
    »Hier.« Er brach zwei Stücke ab und gab ihr beide. »Du hast sie dir verdient. Iß Schnee dazu. Aber schluck sie nicht sofort
     runter, sondern laß sie im Munde zergehen. Das schmeckt dann so ähnlich wie kalter Kakao.«
    »Ein tolles Frühstück.« Lena nahm sich eine Zigarette und reichte Wassja die Schachtel, aber der schüttelte den Kopf:
    »Ich rauche nicht. Und jetzt sag mir, wer meinen Vater umgebracht hat.«
    Er sagte das so einfach und alltäglich, daß Lena zusammenzuckte.
    »Die Gradskaja«, erwiderte sie leise nach einer langen Pause, »deinen Vater hat die Gradskaja auf dem Gewissen. Die Mädchen
     hat Wolkow ermordet.«
    Das Gesicht des Killers versteinerte. Seine Augen wurden ganz weiß. Lena wandte sich ab, sie konnte den Anblick nicht ertragen.
    »Und nun alles ausführlich«, sagte er, »jede Einzelheit, von Anfang an.«
    Da hörte man in der Ferne das Knattern eines Hubschraubers.
    »Rasch in die Klause«, kommandierte der Killer.
    Wenige Sekunden später saßen sie in völliger Finsternis auf den weichen Tannenzweigen. Der Hubschrauber kam immer näher.
    Und wenn das nun gar keine Banditen

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