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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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schwer.
    Am Abend drängte ihn seine Frau, die Temperatur zu messen. Es stellte sich heraus, daß er 38,5 Fieber hatte. Das war nicht
     weiter erstaunlich. In Moskau grassierte die Grippe.
    ***
    Lena hatte einen hektischen Tag hinter sich. Sie hatte das gesamte Material für die neue Nummer fertiggestellt und abgegeben,
     also die Arbeit der nächsten zehn Tage im voraus gemacht, hatte den Aufenthalt im Erholungsheim für Lisa und Vera Fjodorowna
     bestellt und bezahlt und überhaupt eine solche Menge kleiner und großer Dinge erledigt, daß sie sich selber wunderte.
    Ihr einziger Angestellter, Goscha Galizyn, tippte noch den letzten Absatz seines Artikels über eine neue Rockgruppe in den
     Computer und malträtierte zwischendurch immer wieder das Telefon. Lena wartete auf ihn – er hatte versprochen, sie in seinem
     Wolga nach Hause zu bringen. Zum x-ten Mal verfluchte sie sich, daß sie immer noch keinen Führerschein gemacht hatte.
    Niemand wollte ihren Chauffeur spielen, alle hatten selbst genug zu tun. Auch Goscha Galizyn war längst nicht mehr der unbedarfte
     Grünschnabel, als der er bei der Zeitschrift angefangen hatte. Er hatte sein Thema gefunden, schrieb jetzt über Rock- und
     Popmusik. Innerhalb von zwei Jahren hatte er sich einen Namen gemacht, und zwar nicht nur mit Skandalgeschichten aus dem Intimleben
     der Stars, sondern auch mit seiner Fähigkeit zu schreiben – heutzutage eine große Seltenheit.
    »Fertig! Gleich können wir fahren!« seufzte Goscha,schaltete den Computer aus und wählte noch einmal eine Telefonnummer.
    »Wen versuchst du eigentlich so hartnäckig zu erreichen?« fragte Lena.
    »Wolkow!«
    »Und wer ist das?«
    »Na also, weißt du, Chefin!« Goscha prustete los. »Siehst du überhaupt nicht fern?«
    »Eher selten«, gab Lena zu.
    »Hast du noch nie was vom Konzern ›Wenjamin‹ gehört?«
    »Doch, sicher, einiges schon.«
    »Lena, das ist ja direkt unanständig. So was muß man wissen. Wenjamin Wolkow ist der Musikproduzent Nummer eins, der Pate
     jedes dritten Popstars.«
    »Wenjamin Wolkow? Warte mal, ich glaube, den kenne ich.«
    »Wie? Was meinst du damit, du kennst ihn? Persönlich?!«
    »Ich habe einen Wenja Wolkow gekannt, er war Komsomolze in Tobolsk, aber das ist schon lange her, vierzehn Jahre«, sagte Lena.
    Goscha zog aus einem Stapel Papiere auf seinem Schreibtisch eine grellbunte Musikzeitschrift, blätterte sie hastig durch und
     hielt Lena ein riesiges doppelseitiges Farbfoto unter die Nase.
    Von dem Foto lächelten ein Mann und ein Frau. Der Mann hatte schütteres blondes Haar, hellblaue Augen und ein hageres Gesicht.
     Die Frau war eine braunäugige Schönheit von etwa vierzig Jahren, mit goldblondem Haar.
    »Und? Ist er das?« fragte Goscha mit angehaltenem Atem.
    »Ja, das ist Wenja Wolkow. Nur etwas älter und kahler ist er geworden«, sagte Lena zerstreut.
    Sie konnte ihren Blick nicht vom Gesicht der Frau losreißen. Diese gepflegten, ebenmäßigen Züge kamen ihrirgendwie bekannt vor, etwas Verschwommenes, Unangenehmes verband sich mit ihnen.
    »Wer ist denn die Frau?«
    »Seine Ehefrau und Miteigentümerin des Konzerns, Regina Gradskaja. Hör mal, Lena, soll das heißen, du hast den berühmten Wolkow
     persönlich gekannt, als er noch in Tobolsk lebte?«
    »Goscha, ich habe eine Unmenge Leute überall in der ehemaligen Sowjetunion gekannt. Ich war doch ständig unterwegs. Weißt
     du vielleicht zufällig, was seine Frau beruflich macht?«
    »Ich hab doch gesagt, sie ist Miteigentümerin des Konzerns ›Wenjamin‹. Wieso sollte sie sonst noch etwas machen? Ich glaube,
     eigentlich ist sie Ärztin oder Parapsychologin. Ist das wichtig? Kennst du sie etwa auch?«
    »Ich glaube, ich hab sie schon mal irgendwo gesehen. Ihr Lächeln kommt mir bekannt vor.«
    »Hör mal, kannst du mir über Wolkow alles genau erzählen, wie er damals war, worüber ihr euch unterhalten habt?«
    »Ich kann’s ja versuchen, wenn du’s unbedingt wissen willst.«
    »Du hast ja keine Vorstellung, was für eine Bombenstory man daraus machen kann. Und dazu noch exklusiv! Was meinst du, erinnert
     er sich an dich?«
    »Wohl kaum«, erwiderte Lena achselzuckend. »Nach so vielen Jahren. Das war 1982. Ende Juni.«
    ***
    Regina gingen einige Sätze nicht aus dem Kopf, die Wenja kürzlich unter Hypnose gesagt hatte.
    »Sie hätte mich retten können. Wenn sie mich damals nicht zurückgestoßen hätte, wäre ich ihr überallhin gefolgt, ich hätte
     meinen Hunger besiegen können.

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