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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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organisiert.
     
    Bei ihrem ersten Telefonat mit Mischa gab sich Regina Valentinowna sehr liebenswürdig und erklärte, sie sei gern bereit, sich
     in nächster Zeit mit ihm zu treffen; den Ort könne er bestimmen. Mischa hielt das Hauptkommissariat auf der Petrowka für den
     günstigsten Ort und bestellte die Gradskaja dorthin.
    In natura sah Regina Valentinowna noch jünger und eleganter aus als auf den Fotos. Sie trug einen kniekurzen, engen grauen
     Rock und einen zartrosa Pullover. Ihre ganze Erscheinung war bis ins letzte Detail durchgestylt, die Stiefelund die kleine Handtasche waren aus dem gleichen grauen Wildleder, Nagellack und Lippenstift zartrosa wie der Pullover. Das
     ganze Büro duftete nach ihrem feinen, teuren Parfum. Ihr liebenswürdiges Lächeln zeigte strahlendweiße Zähne. Sie war der
     Liebreiz und Charme in Person. Die sanften braunen Augen blickten Mischa wohlwollend an und drückten die aufrichtige Bereitschaft
     aus, jede beliebige Frage zu beantworten und alles zu erzählen, was sie über den tragischen Tod des Sängers Juri Asarow wußte.
    »Veronika Rogowez hat bei mir eine Rehabilitationstherapie mitgemacht, sie litt unter Depressionen, die mit traumatischen
     Kindheitserlebnissen zusammenhingen. Sie ist ein sehr verletzlicher Mensch.«
    »Ehrlich gesagt, das ist mir gar nicht aufgefallen.« Mischa lächelte. »Ich habe selten eine ähnlich«, er räusperte sich, »eine
     ähnlich unabhängige und von sich überzeugte Frau getroffen. Besonders wenn man bedenkt, daß gerade ein enger Freund gestorben
     war, bei ihr zu Hause.«
    »Aber nicht doch, das ist nur Fassade«, sagte die Gradskaja kopfschüttelnd. »Glauben Sie mir, in Wirklichkeit leidet sie sehr
     unter Juris Tod.«
    »Sie hat Sie in den letzten Tagen um Hilfe gebeten?«
    »Ja, sie war bei mir. Noch am selben Tag, abends.«
    »Und Sie konnten ihr helfen?«
    »Ja, ich habe ihr Mut gemacht. Sie war in einem schrecklichen Zustand. Wissen Sie, sie fürchtete, man könne auch sie ermorden,
     aber noch mehr fürchtete sie, selbst unter Verdacht zu geraten. So drückte sie sich auch aus – die Nahestehenden wird man
     zuerst verdächtigen. Und sie war diejenige, die Juri am nächsten stand. Sie waren in der letzten Zeit eigentlich nie voneinander
     getrennt. Sie hatte Angst, man würde sie von Verhör zu Verhör schleifen.«
    »Hat sie sich mit Ihnen beraten, wie sie sich beim Verhör verhalten soll?«
    »Ja, sie hat gefragt, wie sie das Gespräch am bestenführen soll, damit, entschuldigen Sie den groben Ausdruck, ›möglichst bald Ruhe im Karton ist‹.«
    »Na, das war ja schon beinahe eine Art juristische Konsultation.« Mischa lachte. »Und was haben Sie ihr empfohlen, wenn man
     fragen darf?«
    »Was glauben Sie denn?«
    »Mir scheint, Sie haben ihr ein paar ganz nützliche Tips gegeben.«
    »Sicher hat sie heftig mit Ihnen geflirtet und Ihnen schöne Augen gemacht? Das ist ganz ihre Art.« Regina lachte vergnügt.
     »Glauben Sie tatsächlich, ich hätte Veronika Rogowez instruiert, wie sie sich beim Verhör benehmen soll?« fragte sie, wieder
     ernst werdend.
    »Das haben Sie doch gerade selbst gesagt.«
    »Und Sie glauben, Sie hat meine Anweisungen befolgt? Schließen Sie denn die Möglichkeit völlig aus, daß sich Veronika so benommen
     hat, wie sie es immer und gegenüber allen tut? Wenn sie meinem Rat gefolgt wäre, hätte sie Ihnen die Wahrheit und nichts als
     die Wahrheit gesagt.«
    »Sagen Sie, Regina Valentinowna, haben Sie Juri Asarow gut gekannt?«
    »Nicht besonders.« Regina zuckte die Schultern. »Er war nicht bei mir in Behandlung.«
    »Glauben Sie, er könnte hohe Schulden gehabt haben?«
    »Das ist keine Frage des Glaubens, das muß man genau wissen. Genau kann ich Ihnen nur eins sagen: Weder von mir noch von meinem
     Mann hat er sich jemals Geld geliehen.«
    Nachdem sie gegangen war, begann Mischas Kopf heftig zu schmerzen. Das Denken fiel ihm schwer, alles glitt ihm aus den Händen.
     Wer hatte ihm noch kürzlich etwas Ähnliches erzählt? Jemand aus seinem Bekanntenkreis hatte ebenfalls nach einem Gespräch
     mit einem netten, charmanten Menschen unter starker Müdigkeit und Kopfschmerzen gelitten. Mischa strengte sein Gedächtnis
     an, aber der Kopfwollte ihm fast zerspringen. Hat sie mich etwa hypnotisiert, diese Gradskaja? dachte er verärgert.
    Er nahm zwei Tabletten Panadol ein und machte sich einen starken süßen Tee. Die Kopfschmerzen ließen etwas nach, aber das
     Denken fiel ihm immer noch

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