Die leichten Schritte des Wahnsinns
Geschäft zweimal einen schmutzigen
grünen Moskwitsch gesehen, aber ihn nicht weiter beachtet hatte.
»Werden Sie Ihren Mann in London anrufen und ihm berichten, was passiert ist?« fragte der Major.
»Nein«, erwiderte Lena bestimmt. »Ich werde natürlich anrufen. Aber davon werde ich ihm erst bei seiner Ankunft erzählen.«
»Warum?«
»Wozu soll ich ihn ängstigen und aus London wegholen? Was ändert es, wenn er früher als geplant zurückfliegt und sich unterwegs
vor Angst und Nervosität verrückt macht? Es ist ja alles gut gegangen, wir haben es überlebt, Gottseidank. Sie denken sicher,
es hat irgendwas mit seiner Arbeit zu tun?«
»Sie haben es erraten.« Der Major lächelte. »Dieser Gedanke drängt sich sofort auf.«
»Ich möchte Ihnen nicht widersprechen«, sagte Lena nachdenklich und stand auf, um den Tee einzugießen. »Durchaus möglich,
daß sich jemand auf diese Weise an meinem Mann rächen wollte. Aber es sind schon vorher zwei Menschen ums Leben gekommen.
Die hat mein Mann kaum gekannt, ich dagegen schon, auch wenn es nicht sehr enge Freunde waren.«
Lena erzählte dem Major von Mitja und Katja Sinizyn. Sie erwähnte nur die ihr bekannten Fakten und sagte nichts über ihre
eigenen Vermutungen und Zweifel.
Der Major hörte aufmerksam zu, kritzelte ein paarmal etwas in sein Notizbuch, protokollierte ihre Aussagen aber nicht. Er
begann erst Wort für Wort mitzuschreiben, als Lena auf die Geschichte mit der seltsamen falschen Ärztin zu sprechen kam.
»Sie hat nur die Ärztin interessiert?« fragte Lena, als sie fertig war. »Ich hab’s gewußt.«
»Jelena Nikolajewna«, sagte der Major, »was kann der Tod des Ehepaars Sinizyn mit dieser Sache zu tun haben? Ich sehe keinen
Zusammenhang.«
»Aber überprüfen Sie den Fall doch wenigstens. Sie haben doch alle Möglichkeiten.«
»Ich weiß nicht, ich weiß nicht …«
Der Major rauchte, auch Lena nahm eine Zigarette aus ihrer Schachtel.
»Ich habe eine Bitte«, sagte sie leise, »morgen früh schicke ich meine Tochter zusammen mit unserer Nachbarin, die für uns
Oma und Babysitter zugleich ist, ins Erholungsheim ›Istra‹ am Istra-Stausee. Ich habe gehört, daß es dort einen sehr guten
Wachdienst gibt. Könnten Sie sich vielleicht mit ihm in Verbindung setzen, damit …«
»Verstehe«, unterbrach der Major sie, »ich werde alles Notwendige veranlassen. Und Sie selber, welche Pläne haben Sie für
die nächste Zeit?«
»Ich muß nach Sibirien, einen amerikanischen Professor als Dolmetscherin und Beraterin begleiten.«
»Werden Sie lange weg sein?«
»Zehn Tage. Der Amerikaner trifft heute am späten Abend ein. Dann fliegen wir gemeinsam weiter nach Tjumen.«
»Ich gebe Ihnen meine Telefonnummer«, sagte der Major. »Rufen Sie mich ab und zu aus Sibirien an. Es könnte sein, daß wir
Fragen an Sie haben. Einverstanden?«
»Ja, natürlich. Nur tun Sie mir Ihrerseits den Gefallen und holen Sie meinen Mann nicht vorzeitig aus London zurück. Er ist
zum erstenmal im Ausland. Seine ganze Abteilung steht Ihnen hier zur Verfügung, Sie können sich an Michail Iwanowitsch Sitschkin
wenden.«
»Gut, Jelena Nikolajewna«, sagte der Major, »ich verspreche Ihnen, wir setzen uns mit Ihrem Mann erst nach seiner Rückkehr
in Verbindung. Sie haben schon recht, es ist nicht unbedingt notwendig. Und es ist auch gut, daß Sie Ihre Tochter ins Erholungsheim
schicken und selbst Moskau verlassen.«
Als der Major gegangen war, rief Lena Mischa Sitschkin im Büro an.
»Er ist nicht da«, teilte man ihr mit. »Wer ruft denn an?«
»Lena Poljanskaja.«
»Guten Tag, Jelena Nikolajewna. Sitschkin hat Grippe, er ist schon seit zwei Tagen krankgeschrieben.«
Lena rief sofort bei Mischa zu Hause an. Seine Stimme klang völlig heiser.
»Erzähl mir bloß nicht, daß ein falscher Elektriker oder Klempner bei dir war und daß die Frau dieses Gitarristen sich auch
noch erhängt hat«, bat er kläglich.
»Wie fühlst du dich?« erkundigte sich Lena.
»Scheußlich.«
»Sag Xenia, sie soll dich mit Wodka einreiben.«
»Wodka wende ich lieber innerlich an«, knurrte Mischa.
»Auch das noch, ein Alkoholiker.«
»Schon gut, Frau Doktor, von der Grippe und vom Alkohol reden wir später noch. Jetzt berichte mir, was bei dir passiert ist.«
»Unser Kinderwagen ist heute explodiert. In der Einkaufstüte mit Lisas Schuhen lag ein Sprengsatz, fünfzig Gramm TNT. Die
Leute vom FSB werden zu dir kommen, sie glauben, es hat was
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