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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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schonen.«
    »Sind Sie deshalb zum Komsomol gegangen?« fragte Goscha mit spöttischer Stimme.
    »Im Grunde schon. Ich hatte meine festen Ideale, im Unterschied zu vielen anderen glaubte ich wirklich an den Sieg des Kommunismus.«
    Was für ein Blech! dachte Lena. Wenja Wolkow, Komsomolze aus Tobolsk, der uns in die Parteibanja geführt hat,uns in einer bettelarmen Stadt mit Schaschlik und Räucherwurst bewirtet hat, Wenja Wolkow, der in ewiger Liebe zu mir entflammt
     war, glaubte an den Sieg des Kommunismus? Wieso spielt er den Idioten?
    Gerade in diesem Moment kamen auch auf dem Band Schaschlik und Banja zur Sprache. Der Schrei »Nein!« gellte so laut aus dem
     Kopfhörer, daß Lena zusammenfuhr. Ja, der Schrei ertönte, als Goscha ihren Namen erwähnte.
    »Erzähl mir von Wolkow«, bat sie und schaltete den Recorder aus. »Wie ist er Millionär geworden?«
    »Von 1985 bis 1987 gehörte ihm ein Netz von Diskotheken und Aufnahmestudios in Tjumen, Tobolsk und Chanty-Mansijsk. Er selbst
     war aber zu dieser Zeit schon nach Moskau gezogen und arbeitete im Zentralkomitee des Komsomol, in welcher Funktion, weiß
     ich nicht.«
    »Warte mal, Goscha, 1985 war doch bei uns das Gesetz über Privateigentum noch gar nicht in Kraft. Wie konnten ihm da Diskotheken
     und Studios gehören?«
    »Nun, formal war das ganze Musikgeschäft noch in den Händen des Komsomol. Aber faktisch wurde es in Westsibirien schon völlig
     von Wolkow kontrolliert. Gleichzeitig war er für die sogenannten Agitprop-Züge des Zentralkomitees zuständig. Von denen hast
     du sicher schon gehört?«
    »Ich bin sogar einmal mit einem gefahren«, sagte Lena lächelnd.
    »1988 hat Wolkow angefangen, Stars aufzubauen. Zuerst hat er die Tanzgruppe der Tobolsker Pioniere durchs Land gekarrt. Die
     Kinder haben Rock’n’Roll getanzt und die Tschetschotka gestampft. Er hat den letzten Blutstropfen aus ihnen herausgequetscht
     und für damalige Zeiten ein Heidengeld verdient.
    Dann hat er ernsthafte Schwierigkeiten mit der Leiterin des Ensembles bekommen, ich kann mich sogar noch an ihren Namen erinnern.
     Tatjana Kostyljowa. In einem Interview hat sie gesagt, daß er sich an den Kindern bereichere,sie wie Sklaven behandele, sie zwinge, zwölf Stunden täglich zu schuften, und sie durchs ganze Land schleppe, so daß sie den
     Schulunterricht versäumten. Es gab einen großen Skandal. Aber dann haben die Eltern eines Jungen aus dem Ensemble gegen die
     Kostyljowa Klage erhoben und sie beschuldigt, sie habe unsittliche Handlungen an Minderjährigen vorgenommen. Dieser zweite,
     schmutzige Skandal ging durch alle Zeitungen. Dabei war sonnenklar, daß sie sich niemals an einen der Jungen herangemacht
     hatte. Aber die Zeitungen überschütteten sie voller Begeisterung mit Schmutz, wie auf Bestellung.«
    »Gab es denn auch einen Prozeß?«
    »Nein, so weit ist es nicht gekommen. Aber man hat ihr und ihrer Familie gründlich die Nerven ruiniert. Sie sind dann nach
     Kanada gegangen. Diese Kostyljowa war übrigens eine geniale Tänzerin. Ich habe mal ein Amateurvideo gesehen.«
    »Und was ist aus dem Pionierensemble geworden?«
    »Nichts. Es ist zerfallen und existiert nicht mehr. Aber Wolkow hat dann ein tolles Ding gedreht. 1989 tauchte die Gruppe
     ›Die Nachtigallen‹ auf. Vier Jungen, alle so um die achtzehn, die mit femininen Stimmchen von Liebe trällerten. So ein bißchen
     in Richtung Gaunerfolklore, lyrische Liedchen mit einer Melodie von drei Akkorden. Ihr Produzent war ein gewisser Granajan,
     ein armenischer Millionär. Er hat einen Haufen Geld mit den Jungs gemacht und sie außerdem alle der Reihe nach beschlafen.
     Die Gruppe war im ganzen Land enorm erfolgreich, ihre Konzerte alle ausverkauft, die Mädchen machten sich bei ihren Auftritten
     vor Begeisterung in die Hose.
    Und plötzlich geschieht etwas Seltsames. Granajan kommt mit einer schweren Lungenentzündung ins Krankenhaus. Die Analysen
     ergeben, er hat Aids. Damals wußte kaum jemand, was das war. Aber das Krankenhaus war eine Spezialklinik für die Nomenklatura,
     dort kannte man sichaus. Die Jungen geraten in Panik, es stellt sich heraus, daß zwei von den vieren infiziert sind. Und weißt du, womit alles
     endet? Die beiden gesunden nimmt Wolkow unter seine Fittiche, für die zwei kranken findet er Ersatz. Er gründet eine neue
     Gruppe unter dem Namen ›Velosiped‹. Viel Werberummel ist gar nicht nötig, sie werden noch populärer, wieder ist alles ausverkauft.
    Aber dann macht ein

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