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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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muß man im Auge behalten«, sagte Regina später beim Abendessen. »Du hättest ihn besser nicht weggeschickt.
     Er kann gefährlich werden. Besser wäre es, ihn zu betreuen und aufzubauen, ein paar Videoclips zu drehen. Auf diese Weise
     machst du ihn abhängig. Erwäre zahm und ruhig und würde alles vergessen, was vor vierzehn Jahren war – wenn er sich überhaupt noch an das Blut auf deinem
     Pullover erinnert.«
    »Er erinnert sich. Ich kann es nicht ertragen, ihn zu sehen. Er macht mir Angst.«
    »Gut«, seufzte Regina, »ich übernehme das.«
     
    Es gelang ihr schnell herauszufinden, daß Katja, die Frau von Dmitri Sinizyn, drogensüchtig war. Sie rief bei den beiden zu
     Hause an.
    »Guten Tag, Mitja. Hier ist Regina Valentinowna Gradskaja. Erinnern Sie sich an mich?«
    »Ja, natürlich. Guten Tag.« Man hörte, daß er verwirrt und erfreut war. Natürlich erinnerte er sich noch an sie – sein Vorsingen
     war erst drei Tage her.
    »Ich muß Ihnen sagen, Ihre Lieder haben mich stark beeindruckt. Wir müssen uns treffen und darüber reden. Was machen Sie heute
     abend?«
    »Ich? Nichts, ich bin frei.«
    »Na, wunderbar. Ich kann in einer Stunde bei Ihnen sein, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    »Danke«, stammelte er verwirrt. »Aber ich wohne am Stadtrand, in Wychino.«
    »Egal«, lächelte Regina. »Ich komme mit dem Auto. Sagen Sie mir Ihre Adresse.«
    »Wir haben nicht immer den gleichen Geschmack, Wenjamin Borissowitsch und ich«, sagte sie, als sie in der ärmlichen Zweizimmerwohnung
     in Wychino auf dem alten Sofa saß. »Er ist durch und durch Geschäftsmann. Er hat keine Perspektive für Ihre Lieder gesehen,
     aber ich kann sie seit Tagen nicht vergessen.«
    Regina saß zwei Stunden bei den Sinizyns, trank erbärmlich schlechten löslichen Kaffee, redete über Literatur und Musik und
     über das Rätsel von Talent. Sie versprach nichts – schwärmte nur von Mitjas Liedern und schimpfte auf dieTalentlosigkeit der modernen Popmusik und den kalten Pragmatismus ihres Mannes.
    »Bringen Sie mich zum Auto, Mitja«, bat sie, als er ihr im Flur in den Mantel half.
    Sie traten auf den leeren, verschneiten Hof hinaus. Die Januarnacht war sternenklar.
    »Ihre Katja hat schwere Probleme, nicht wahr?« Regina bemühte sich, möglichst sanft und mitfühlend zu sprechen.
    »Ja, es gibt da einige gesundheitliche Komplikationen.«
    »Sie brauchen sich vor mir nicht zu genieren, Mitja. Ich bin Ärztin und Spezialistin für die Probleme, die Ihre Frau hat.
     Katja nimmt Drogen.«
    »Sieht man das gleich auf den ersten Blick?« fragte er entsetzt.
    »Ich schon. Aber ich bin darauf spezialisiert und habe ein geübtes Auge.«
    »Ja, das geht schon anderthalb Jahre so. Ich versuche, dagegen anzukämpfen, aber ohne Erfolg.«
    »Wissen Sie was«, Regina berührte seine Hand, »ich werde versuchen, Ihnen zu helfen. Wegen der Kosten machen Sie sich keine
     Sorgen. Ich kann mir schon seit langem leisten, ohne Honorar zu arbeiten. Ich habe im Gefühl, ob jemand mein Patient ist oder
     nicht. Eine Therapie beginne ich nur dann, wenn mir der Fall interessant erscheint. Und nicht hoffnungslos.«
    »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll, Regina Valentinowna.«
    »Gehen Sie nach Hause, Mitja. Es ist kalt, und Sie haben nur einen Pullover an«, sagte sie lächelnd und setzte sich ans Steuer
     ihres dunkelblauen Volvo.
     
    Im Laufe eines Monats wurde sie zur Vertrauten der Sinizyns. Sie fuhr ziemlich oft zu ihnen und führte mit Katja Hypnosesitzungen
     durch. Sie hätte dieses stille,verschreckte kleine Mädchen mit den schweren Komplexen aus der Kindheit tatsächlich heilen können.
    Katja war überzeugt, auf dem Wege der Besserung zu sein. Sie glaubte, sie könne die Dosierungen verringern. In Wahrheit aber
     tauschte Regina die Ampullen mit dem Morphium in regelmäßigen Abständen aus und ersetzte sie durch höherprozentige Lösungen.
    Mitja verging vor Dankbarkeit und bemühte sich nach Kräften, der »guten Fee« gefällig zu sein. Seine Lieder und seine Karriere
     erwähnte er mit keinem Sterbenswörtchen mehr, es schien ihm nicht angebracht – Regina Valentinowna tat ohnehin schon so viel
     für sie, behandelte Katja kostenlos und uneigennützig.
    Eines Tages sagte er errötend und schrecklich verlegen:
    »Verzeihen Sie, Regina Valentinowna, wenn ich Ihnen eine sehr indiskrete Frage stelle. Wenn Sie nicht wollen, brauchen Sie
     nicht zu antworten.«
    »Frag nur, Mitja«, gestattete sie großzügig.
    »Was verbindet

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