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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Sie mit diesem Menschen?«
    Regina begriff sofort, wen er meinte.
    »Wenjamin Borissowitsch ist mein Mann«, erwiderte sie lächelnd. »Damit ist alles gesagt.«
    »Sind Sie sicher, daß Sie alles über Ihren Mann wissen?«
    »Mitja«, lachte sie vergnügt, »wollen Sie mir jetzt etwa eröffnen, daß er mit Models und Nachwuchssängerinnen ins Bett geht?«
    »Nein«, sagte Sinizyn verlegen, »Sie haben mich falsch verstanden. Ich habe nur den Eindruck, daß Wolkow ein sehr harter und
     kalter Mensch ist. Und Sie … Ist er Ihnen nicht manchmal unheimlich?«
    »Erklären Sie mir, was Sie mit ›unheimlich‹ meinen?«
    »Nun, ist es nicht unheimlich, mit einem Menschen zusammen zu leben, der zu allem fähig ist? Das Showbusiness ist ein hartes
     Geschäft, manchmal sogar ein blutiges, und eng mit der kriminellen Welt verbunden. Und Sie sind dochganz anders, Sie sind ein sehr sensibler, kluger und edler Mensch. Entschuldigen Sie, wenn ich Blödsinn rede.«
    »Nein, wieso? Auf Ihre Weise haben Sie recht. Ich fühle mich tatsächlich in dieser schmutzigen und widerwärtigen Atmosphäre
     unwohl und einsam. Ich habe in diesem Milieu keine Freunde, zum Teil war das der Grund, warum ich mich so an Sie beide angeschlossen
     habe. Aber im Leben geht es nicht immer so, wie man denkt. Es ist jetzt vierzehn Jahre her, daß ich Wenjamin Borissowitsch
     kennengelernt habe. Glauben Sie mir, damals war er ein anderer Mensch.«
    »Ja«, nickte Mitja, »vielleicht war er damals tatsächlich anders.«
    »Haben Sie ihn denn schon früher einmal getroffen?« Regina zog verwundert die Brauen hoch.
    »Nein, noch nie«, murmelte Mitja, ohne ihr in die Augen zu sehen.
     
    Einige Tage nach diesem Gespräch setzte sich Sinizyn in der Bar von Ostankino zu Wenja an den Tisch.
    Es war Nacht. Wenja war allein hierhergekommen, um einen Kaffee zu trinken. Nach den Aufnahmen für eine Fernsehshow war er
     sehr müde. Er wollte allein sein, hatte seine Leibwächter weggeschickt; sie warteten im Auto auf ihn.
    »Guten Abend, Wenjamin Borissowitsch«, sagte Sinizyn leise und nahm ihm gegenüber Platz.
    »Guten Abend. Was kann ich für Sie tun?« Wenja sah ihn gleichgültig an.
    »Gefallen meine Lieder Ihnen überhaupt nicht?« Sinizyn zündete sich eine Zigarette an.
    »Doch, durchaus. Aber sie liegen nicht im Trend.«
    »Sie haben mich sofort, außer der Reihe, zum Vorsingen kommen lassen. Haben Sie mich erkannt?«
    Der Kellner kam. Mitja bestellte sich einen Kaffee, fünfzig Gramm Kognak und eine Portion Nüsse.
    »Sollte ich das?« fragte Wenja, nachdem der Kellner gegangen war.
    »Kennen wir uns denn nicht von früher? Na, Komsomolze?«
    »Ich erinnere mich nicht«, sagte Wenja schulterzuckend.
    »Sommer zweiundachtzig, Tobolsk.« Sinizyn lächelte. »Du warst Abteilungsleiter für Kultur im Stadtkomitee. Du hast uns begleitet.«
    »Ich habe viele begleitet. Ich kann mich nicht an alle erinnern.«
    »Aber Lena Poljanskaja hast du doch wohl kaum vergessen. Sie hat dir sehr gefallen.«
    »Poljanskaja? Den Namen höre ich zum erstenmal.«
    »Tatsächlich? Und an meine Schwester Olga erinnerst du dich auch nicht?«
    »Nein.«
    Der Kellner brachte Mitjas Bestellung.
    »Nimm von den Nüssen, Komsomolze, bedien dich.« Mitja schob die Schale in die Mitte des Tisches. »Du hast uns in Tobolsk mit
     erstklassigem Schaschlik bewirtet und in eine Luxusbanja für Parteifunktionäre geführt.«
    Mitja stürzte den Kognak in einem Zug hinunter, verzog das Gesicht und warf sich eine Nuß in den Mund.
    »Ich habe dich diese ganzen vierzehn Jahre nicht vergessen. Besonders gut erinnere ich mich an die letzte Nacht am Ufer des
     Tobol, als du ein Picknick zum Abschied organisiert hast. Du hast damals die Zwiebeln mit einem rasierklingenscharfen Fahrtenmesser
     geschnitten. Dann hast du die dünnen Ringe auf den Schaschlikspieß aufgefädelt. Uns allen liefen von den Zwiebeln die Tränen
     herunter. Du hast nicht geweint. Du hast ernst und konzentriert mit dem Messer hantiert – und die ganze Zeit Lena angeschaut.«
    »Das ist ja alles sehr interessant.« Wenja versuchte zu lächeln. »Nur erinnere ich mich an keine Lena. Ja, manchmalhabe ich Picknicks für die Gäste veranstaltet. Es kamen viele Leute angereist – aus Moskau, aus Leningrad. Ich habe sie abgeholt
     und begleitet.«
    »Aber an uns erinnerst du dich nicht? Und an das Mädchen, das man am Flußufer gefunden hat, nicht weit von unserem Lagerfeuer,
     erinnerst du dich auch nicht? Das kann nicht sein!

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