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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Sie, aber mir ist kein anderer Weg eingefallen, Sie zu treffen.«
    »Wozu?« fragte Lena fast tonlos.
    »Ich mußte Sie wiedersehen – nicht nur aus dem Autofenster, sondern aus der Nähe. Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben.
     Möchten Sie Kaffee?«
    »Ja.«
    Er holte eine Thermoskanne und zwei große Becher aus dem Handschuhfach und goß Lena und sich ein. Der Kaffee war stark, süß
     und mit viel Sahne.
    Lena schluckte und spürte, wie ihre Zähne gegen den Keramikbecher schlugen.
    »Wenn Sie meine Telefonnummer haben und mich treffen wollten, warum haben Sie mich nicht einfach zu Hause angerufen?« Sie
     versuchte zu lächeln. »Wieso blockieren Sie die Türen, und warum sollte ich Angst vor Ihnen haben?«
    »Früher einmal habe ich mich Ihnen gegenüber nicht besonders gut benommen«, sagte er langsam. »Ich dachte, Sie würden mich
     nicht treffen wollen.«
    Er saß ihr halb zugewandt. Sein Gesicht wirkte plötzlich irgendwie verwirrt, kläglich, wie das eines Kindes.
    »Wenja, das ist vierzehn Jahre her. Sie haben es weit gebracht, wie ich gehört habe, sind Millionär und Musikproduzent, das
     ganze Land kennt Sie. Aber Sie benehmen sich wie ein kleiner Junge.«
    »Ja, Lena. Es ist vierzehn Jahre her. Aber mir kommt es vor, als wäre es gestern gewesen. Ich erinnere mich bis heute an den
     Duft deiner feuchten Haare nach der Banja, ich weiß noch, wie deine Lippen geschmeckt haben, ich spüre deine Haut unter meiner
     Hand. Wenn du mich damals nicht zurückgestoßen hättest, wäre mein Leben ganz anders verlaufen.«
    Er ist verrückt, dachte Lena entsetzt, die Hände zittern ihm. Seine Augen blicken ganz irre und unstet.
    »Ist denn dein Leben so schlecht verlaufen?« Sie bemühte sich, möglichst ruhig und freundlich zu sprechen. »Wenja, mach mir
     nichts vor. Du bist reich, berühmt, hast eine schöne Frau.«
    »Ich bin allein auf der Welt. Sie liebt mich nicht. Niemand liebt mich. Sie hat eine Marionette aus mir gemacht, einen Zombie.
     Lena, hättest du mich doch damals nicht zurückgestoßen …«
    »Wenja, der Kaffee ist wirklich sehr gut. Hast du ihn selbst gekocht?«
    »Damals hast du gesagt, in der Küche brennt etwas an. Jetzt redest du von Kaffee.«
    »Entschuldige. Du wolltest mir etwas Wichtiges sagen?«
    »Ja. Würdest du mich küssen und mir über den Kopf streicheln? Sonst nichts, das ist alles, was ich von dir will.«
    Er drückte auf irgendeinen Hebel, und die Lehne seines Sitzes kippte jäh nach hinten. Lena fuhr zusammen. Er war plötzlich
     ganz nah, nahm ihr die Tasse aus der Hand, bückte sich und stellte sie auf den Boden.
    Lieber Himmel, was soll ich nur tun? dachte Lena in Panik. Vor allem darf ich ihn nicht erschrecken, nicht mißtrauisch machen
     und nicht zeigen, wieviel Angst ich habe.
    Sie strich sachte mit der Hand über sein blondes, schütteres Haar. Er ergriff ihre Hand und drückte seine Lippen darauf.
    »Lena, verlaß mich nicht … Es geht mir sehr schlecht.«
    »Wenja, warum denn gerade ich?« fragte sie leise. »Du bist von so vielen Frauen umgeben, die viel schöner und jünger sind
     als ich. Du brauchst nur mit dem Finger zu winken, und jede von ihnen läuft dir bis ans Ende der Welt nach.«
    »Sie laufen hinter meinem Geld, hinter meinen Beziehungen und meiner Macht her«, erwiderte er.
    »Aber du hast doch eine Frau! Sie liebt dich – nicht wegen deines Geldes und deiner Beziehungen.«
    Er drückte ihre Handflächen an seine Wangen und sah ihr in die Augen.
    »Du liebst mich auch nicht«, sagte er traurig, »aber du könntest mich so lieben, wie ich es brauche, wie ich es mir wünsche.«
    »Woher weißt du das? Vielleicht würde es mit uns überhaupt nicht klappen. Es kommt dir nur so vor, als ob es mit einer anderen
     Frau besser wäre. Eine kurze Affäre kann man nicht mit einer langen Ehe und einem gemeinsamen Alltag vergleichen.«
    Sie kam nicht dazu, weiterzusprechen. Er preßte seinen Mund auf ihren und küßte sie so gierig und heftig, daß es schmerzte.
    Irgendein uralter, unklarer, rettender Instinkt gab Lena ein, daß sie sich jetzt nicht losreißen und wehren dürfte. Sie erwiderte
     seinen Kuß nicht und hielt mit letzter Kraft aus. Sobald er seine Lippen von ihren löste, sagte sie in ruhigem, freundlichem
     Ton:
    »Wenja, bitte, hör mir zu. Vor vierzehn Jahren hat mich genau dieses Ungestüme, Draufgängerische an dir erschreckt. Gib mir
     Zeit, und mach die Fehler von damals nicht zum zweitenmal. Ich bin ja nicht verschwunden. Auch ich

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