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Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
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Italien.«
    Die Zigeuner hatten ihr Lager an einem Bachufer im Wald westlich von Sevilla aufgeschlagen. Maese Pedro zeigte mir einen Mann, der am Feuer saß, auf dem Kopf ein Hut, der wie eine Krähe mit weit gespreizten Flügeln aussah. Der Mann war umringt von Kindern, die ihm hingerissen lauschten. Wir stiegen von den Pferden und traten näher.
    Sobald El cuchillo erkannte, wer ihn da besuchte, klatschte er in die Hände, und die Kinder stoben kreischend in die Dunkelheit davon. Die beiden Männer umarmten sich mit der Herzlichkeit alter Freunde. Maese Pedro sprach als Erster: »Ricardo, ich habe dich bis heute noch nie um einen Gefallen gebeten. Ich kenne Miguel« – dabei legte er einen Arm um meine Schultern – »seit er ein kleiner Junge war.« Dann schilderte er den Ernst meiner Lage.
    Beim Zuhören zupfte El cuchillo mit knochigen, wettergegerbten Fingern immer wieder an seinem spitz zulaufenden Bart. Die Ränder seiner Nägel starrten vor Dreck, Falten hatten sich tief in seine Haut eingegraben und bildeten zahlreiche Furchen und Rillen, als wäre ihm jemand mit einer Klinge kreuz und quer übers Gesicht gefahren. Das erklärte auch seinen Spitznamen: »das Messer«. Er nahm den Hut ab, schüttelte den Kopf, worauf eine silberweiße Mähne herabfiel, und sagte: »Ich verlange die ganze Summe im Voraus. Und ich warne Euch, Don Miguel. Wenn Ihr eine Dummheit macht, riskiere ich nicht meine Eier für Euren culo . Verstanden?«
    Und so verließ ich Spanien, Zigeunerlumpen am Leib, ein schwarzes Tuch um die Stirn und Goldreifen an den Ohren. Die Stadt der Cäsaren war mein Ziel. Trotz meiner Erleichterung, la madre patria zu verlassen, ehe mir die rechte Hand abgehackt wurde, machte es mir doch auch Angst, mit Leuten zu reisen, die in Höhlen und Wäldern hausten und von den meisten Christenmenschen als Zauberer und Kannibalen betrachtet wurden. Wann immer Zigeuner außerhalb einer Stadt lagerten, ließen Eltern ihre Kinder nicht aus dem Haus und schliefen nachts in einem Bett mit ihnen. Den Zigeunern wurde nachgesagt, Kinder zu stehlen, die sie in den Ländern der Berber an die Mauren verkauften. Es hieß auch, dass sie gestohlene Kleinkinder mästeten, sie bei Festlichkeiten grillten und zerteilten und die zarten, fettigen Fleischstücke in ihren puchero gaben, einen Eintopf aus getrocknetem Pferdefleisch, Kichererbsen, Pilzen und Portulak.
    Die Zigeunerinnen, die sich auf das Handlesen verstanden, wurden noch mehr gefürchtet und verachtet als die Männer. Es hieß, ihre Kräfte stünden denen des Teufels in nichts nach. Wenn eine Zigeunerin sich einem näherte mit der Absicht, einem aus der Hand zu lesen, und man sich weigerte, verwandelte sie sich im Nu in eine schreckenerregende, Gift und Galle speiende Furie, deren Verwünschungen einem durch Mark und Bein gingen. Als Junge sah ich einmal einen Mann, der es ablehnte, sich die Zukunft aus der Hand lesen zu lassen. Die von einem völlig verkrebsten Gesicht entstellte Alte keifte: »Du missgestalteter Hurensohn, möge der Fluch des Teufels auf dich herabkommen dafür, dass du einer alten, bedürftigen Frau dein Ohr versagst.«
    Als der Mann weiterging, stürzte vom Himmel ein großer, schwarzer, rauchender Gesteinsbrocken herab und landete mit solcher Wucht auf ihm, dass sein Kopf abgetrennt wurde und schreiend die Straße hinabrollte, während der Mann kopflos herumtaumelte und danach suchte. Von dem Tag an gab ich große Acht, keine Zigeunerin je gegen mich aufzubringen. Wegen ebendieser teuflischen Kräfte ließen selbst die Büttel des Königs die Zigeunerinnen tunlichst in Ruhe.
    Vom Moment unseres Aufbruchs an hatte ich Maese Pedros Worte im Ohr, der mir beim Abschied zugeflüstert hatte: »Miguel, behalte immer deine Börse im Auge. Pass auf, dass die Zigeuner dich nicht so zurücklassen, wie du auf die Welt gekommen bist. Nachdem du einem Zigeuner die Hand gegeben hast, musst du jedes Mal deine Finger nachzählen. Wie du weißt, sind die Roma die größten Diebe und Gauner auf Gottes weiter Welt. Aber davon abgesehen sind sie nicht schlechter als die restliche Menschheit auch.«

KAPITEL 2
    DER MAKEL
    Luis 1569
    Da ich wusste, dass es Miguels Eltern schwerfallen würde, über Nacht Geld für ihn zu beschaffen, beschloss ich, meinem Freund bei seiner Flucht finanziell unter die Arme zu greifen. Ich lebte von der großzügigen Unterstützung, die mein Vater mir für das Studium an der Universität in Alcalá de Henares gab, so konnte ich ihn nicht um

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