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Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
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erledigen hatte, als ich am Ortsrand einen dicken Mann auf einem andalusischen Pferd auf mich zutrotten sah, einem Pferd, wie Botschafter und Edelleute es reiten. Das Palomino-Fell des Tieres glänzte so sehr, dass es wie mit Goldstaub bepudert aussah, sein langer Hals und die breite Brust pflügten durch die Luft wie der Bug eines Schiffes, dessen Segel vom Wind gebläht sind. Eine dichte, vielfach gestriegelte Mähne hing über seinen Hals und fiel in zwei blonden Strähnen in sein langes, schmales Gesicht. Hinter dem Pferd trabte ein mit kleinen Truhen beladener Esel, auf dessen mit Schafsfell bezogenem Sattel der Diener des Reichen saß. Der Mann auf dem Pferd trug eine Hose, die über den Knien zusammengebunden war, Stiefel aus schwarzem Korduan, die wie Onyx glänzten, einen langarmigen Samtrock von der Farbe reifster Trauben und eine braune Kappe mit einem Schirm, wie reisende Edelmänner sie zu tragen pflegen. Ein langes, schlankes Schwert mit einem hölzernen Heft hing an der linken Seite seines umfänglichen Bauches herab.
    Die Nüstern unserer Pferde wollten sich gerade begegnen, als ich hörte: »Don Miguel. Don Miguel de Cervantes. Gesegnet seien meine Augen!« Mit erstaunlicher Behendigkeit sprang der Dicke von seinem Pferd und lief auf mich zu. Ich zügelte mein Pferd. Der ungewöhnliche Reisende ergriff meine Hand und bedeckte sie, ohne mich um Erlaubnis zu fragen, so als kenne er mich aufs Beste, mit Küssen. »Euer Gnaden, ich bin’s, Euer Freund Sancho Panza«, sagte er.
    Über fünfundzwanzig Jahre waren seit der Nacht vergangen, als wir uns vor der Höhle in den Bergen außerhalb der Mauern von Algier verabschiedet hatten. Viele Freudentränen flossen, als wir uns wieder umarmten. Trotz seines unverkennbaren Wohlstands war Sancho derselbe bodenständige Mann wie damals, nur ein Vierteljahrhundert älter und zweimal so füllig. Wir führten unsere Pferde zu einer grasbewachsenen Stelle am Straßenrand und traten in den Schatten einer Eiche. Sanchos Diener öffnete eine der Truhen, mit denen der Esel beladen war, und breitete einen erlesenen Teppich mit arabischen Mustern auf der Erde aus. Dann holte er zwei Silberbecher hervor, die er mit Wein füllte. Als nächstes erschienen Käse, Brot, Oliven und ein Schinken. Wir tranken auf Fortuna, darauf, dass sich unsere Wege wieder gekreuzt hatten. Ich konnte gar nicht erwarten, Sancho zu fragen, wie er die Wüste überlebt hatte und wie er zu seinem großen Reichtum gekommen war. Als wollte er sich vorbereiten auf die Geschichte, die er mir gleich erzählen würde, biss er ein Stück von dem braunen Brot ab und zerkaute es rasch, um den Bissen mit Wein hinunterzuspülen.
    »Ich danke Euch, ich danke Euch, mein erlauchter Meister, der gefeiertste Sohn von Alcalá de Henares«, begann er, umfasste meine rechte Hand, die er wieder küsste und mit vielen Tränen benetzte. »Danke, dass Ihr mich berühmt gemacht habt, Euer Gnaden. Wo immer ich in Spanien hinkomme, sobald ich meinen Namen sage, werde ich als Sancho Panza erkannt, der unsterbliche, vortreffliche Knappe, der treue und ergebene Begleiter des unvergleichlichen, edlen und klugen Ritters Don Quijote, dieses Euer Geschöpf, das so lange leben wird, wie die Sonne über unserer madre patria aufgeht.«
    Aber er hatte noch mehr zum Thema Don Quijote zu sagen: »Ihr wisst, Euer Gnaden, ich bin kein gelehrter Mann, und es heißt ja, dass Hans nimmermehr lernt, was Hänschen nicht gelernt hat, aber es ist meine feste Absicht, einen Professor anzuheuern, der mir das Lesen beibringt, jetzt, da ich wieder auf spanischem Boden bin, in meiner geliebten Stadt Esquivias, wo ich mich nach meinen Wanderjahren zur Ruhe zu setzen und mich den Rest meiner Tage an meiner Familie zu erfreuen hoffe, und an Teresas köstlicher Küche, insbesondere ihrem Kaninchentopf. Ich bitte Euch also, mir meine Unbescheidenheit nachzusehen, zumal ich das, was ich sagen werde, mit all der Ehrerbietung sage, die dem größten lebenden Spanier, Euer Hochwohlgeboren Don Miguel de Cervantes Saavedra, gebührt.« Er hielt kurz inne, um einen Bissen Brot zu essen und seinen Weinbecher zu leeren, den sein Diener im Handumdrehen nachfüllte. »Ohne Verzug, mein alter und lieber Freund, dränge ich Euch, die Abenteuer des Don Quijote fortzuschreiben. Setzt ihn auf Rocinante, das edelste aller Rösser, und auf die Straße nach Saragossa. Und fast ist es mir gleichgültig, ob Ihr das mit mir oder ohne mich als seinem Knappen tut. Ich sage das

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