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Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
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nicht, Don Miguel, weil es mich nach noch mehr Ruhm verlangt, sondern weil die grobe Ungerechtigkeit und das Verbrechen, das dieser unwürdige Dieb, der vermaledeite Fernández Avellaneda, an Euch begangen hat, ausgewetzt werden müssen. Die Welt muss ein für alle Mal erfahren, wer die wahren Figuren sind, damit die schurkischen Kreaturen, die der teuflische Avellaneda geschustert hat – der eine Schande für die Mutter ist, die ihn in die Welt setzte –, als die blassen, schalen Erfindungen offenbart werden, die sie sind, und damit sein Werk verlacht und dann vergessen werden kann, wie es ihm gebührt.«
    Ich wollte gerade sagen, dass ich bereits am zweiten Teil arbeitete und hoffte, ihn meiner schlechten Gesundheit zum Trotz bald fertigzustellen, aber Sancho hatte noch einen weiteren Rat für mich auf Lager: »Ich achte und verehre jedes Wort, das Eure unvergleichliche Feder zu Papier gebracht hat, doch ich muss gestehen, dass ich die Geschichten, die die Handlung immer wieder unterbrechen, ein wenig störend finde. Ich für meinen Teil will nur von Don Quijote und seinem Knappen erfahren. Und jetzt werdet Ihr nie wieder auch nur ein kritisches Wort von mir über Euer erlesenes Buch hören.«
    Ich versicherte ihm, dass ich mir seinen Rat zu Herzen nehmen würde und dass sich auch andere Leser über die Geschichten innerhalb des Romans beklagt hätten. Und dann schließlich war es an mir, Fragen zu stellen. »Freund Sancho«, sagte ich, »ich sehe, dass das Glück Euch hold war, Ihr seid ein Bild des Wohlstands. Bitte erzählt mir, was Euch alles widerfahren ist, seit ich Euch das letzte Mal sah.«
    Sancho lehnte sich an den Stamm der Eiche und legte beide Hände auf seinen runden Bauch. Während ich kleine Schlucke von dem kühlen Wein trank und von den Käse- und Schinkenscheiben naschte, die Sanchos Diener ständig nachschnitt und uns auftischte, unterhielt mein Freund mich mit seiner kuriosen Geschichte voll unerwarteter Drehungen und Wendungen, die immer noch fantastischer wurden. Sancho redete so lange, dass die Sonne die Mittagslinie überschritt und in den Westen wanderte, weshalb ich seine Erzählung kurz zusammenfasse: Einige Tage, nachdem er allein in die Wüste gewandert war, sich in der Sahara verloren und geglaubt hatte, der glühendheiße Sand der nordafrikanischen Wüste würde sein letzter Ruheplatz werden, entdeckte ihn eine Berberkarawane auf Kamelen und entführte ihn. Mit dieser Banditenschar, die andere Karawanen, aber auch kleine Dörfer überfiel, zog Sancho lange Zeit durch die Wüste. Auf einer Reise in ein Königreich im Herzen Afrikas, wo die Menschen schwarz wie die Mitternacht waren, wurde er dem dortigen König verkauft. In dem Land, in dem alle hochgeschossen und schlank waren und lange Hälse in der Art von Giraffen hatten, galten dicke Weiße als Boten der Fülle. Von Sancho wurde nichts weiter verlangt, als in seinem luxuriösen, aus Lehm und Stroh errichteten Palast zu sitzen, wo adelige Jungfrauen ihn bedienten, und Pilger aus dem ganzen Königreich zu empfangen, die ihn berühren und zu ihm beten wollten und hofften, dass er ihnen Fülle in Form von Kindern, Vieh oder Regen gewährte. In Dürrezeiten, wenn das Getreide auf den Feldern verdorrte und kleine Kinder, Alte und Vieh hungers starben, wurde Sancho auf einem goldenen Stuhl von Dorf zu Dorf getragen, bis der Regen einsetzte. Die Medizinmänner des Königs suchten meinen Freund täglich auf, um seinen Leibesumfang zu messen und sicherzustellen, dass er nicht geringer wurde. Im Lauf der Jahre füllte Sancho viele Truhen mit dem Gold und den Edelsteinen, die die Menschen ihm als Opfergaben darbrachten. Der alte König wurde sein bester Freund, und als der sich schließlich ans Sterben machte, bat Sancho ihn um einen Gefallen. »Ich fragte seine Majestät um Erlaubnis, in mein Heimatland zurückkehren zu dürfen, denn ich wusste, dass sich auch meine Reise auf Erden langsam dem Ende zuneigte, und es verlangte mich, meine Frau, meine unvergessene Teresa, wiederzusehen – die ich nie betrogen hatte, trotz zahlreicher Gelegenheiten, das mit den schönsten Jungfrauen des Königreichs zu tun –, wenn sie denn noch lebte, und meine Tochter, die ich nur als Kleinkind kannte, das seine ersten tapsigen Schritte macht, und die grundguten Nachbarn meiner Heimatstadt, in der ich meine Äuglein zum ersten Mal aufschlug. Und so, Euer Hochwohlgeboren, der Ihr der größte Barde unseres Landes und unsere erhabenste Zierde seid, so

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