Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
Vom Netzwerk:
kommt es, dass ich Euch wieder begegne. Aber jetzt sagt, weshalb kommt Ihr von Esquivias her? Was für Geschäfte führten Euch in diese Gegend?«
    Ich berichtete ihm von meiner Ehe und dass Esquivias seit über zwanzig Jahren immer wieder mein Zuhause war, dass meine schönste Nachricht für ihn lautete, dass sowohl Teresa als auch Sanchica sich bester Gesundheit erfreuten, dass ich sie häufiger sah und dass er mittlerweile Großvater geworden war, denn Sanchica habe geheiratet und eine große Familie gegründet, die ausschließlich aus Jungen bestand: Sancho I., Sancho II., Sancho III. und so fort. Bei dieser Auskunft ergriff Sancho erneut meine Hand, küsste und benetzte sie mit Tränen. Und dann, zu meinem allergrößten Erstaunen, umarmten sich Sancho und sein Diener und weinten untröstlich an der Schulter des jeweils anderen. Das war nun wirklich ein höchst seltsamer Anblick, und ich fragte mich, welche Geschichte wohl dahinterstecken mochte. Als ihrer beider Augen trocken, wenn auch noch gerötet waren, sagte Sancho: »Don Miguel, dieser Mann ist nicht mein Diener. Vielmehr ist er mein ehemaliger Nachbar, Mohanad Morricote, ein Einwohner von Esquivias, der unser Land verließ, kurz bevor ich so grausam entführt und ins bagnio verschleppt wurde, wo ich das große Glück hatte, Euch zu begegnen, der Ihr mich reich gemacht und mir Unsterblichkeit geschenkt habt.«
    Morricote, der bis zu dem Moment geschwiegen hatte, sagte: »Don Miguel, 1570, als ich ein junger Ehemann war und der stolze Vater Aminas und Afids, wurden meine Familie und ich auf Befehl König Philips II., möge seine Seele in Frieden ruhen, aus Spanien vertrieben – auch wenn unsere Vorfahren schon auf spanischem Boden gelebt hatten, lange bevor Kastilien und Aragon sich vereinten und Spanien ein Reich wurde –, weil wir nicht öffentlich konvertierten und unserem Glauben und unseren Sitten abschworen – ich konnte das nicht tun, Don Miguel, das wäre ein Verrat an meinen Ahnen gewesen. Ein Gelehrter wie Eure Exzellenz weiß natürlich, dass nach dem Fall Granadas, als die letzten muslimischen Herrscher ins Exil verbannt wurden, meine Vorfahren zum Katholizismus übertraten, doch es gelang uns, viele unserer Bräuche zu bewahren, und einige von uns lehrten unsere Kinder Arabisch – nicht, weil wir Spanien nicht liebten, und auch nicht, weil wir davon träumten, das Land zurückzuerobern, wie uns immer wieder vorgeworfen wurde, sondern weil die Geschichte unseres Volkes auf Arabisch niedergeschrieben ist.«
    Sancho unterbrach Morricotes Erzählung: »Mein lieber Freund, Don Miguel hat zweifelsohne Geschäfte, die seiner harren, und wir dürfen die Freundlichkeit eines Herren von seiner Bedeutung nicht überanspruchen, also verweilt nicht bei dem, was vor Jahrhunderten geschah.«
    »Danke, Freund Sancho, für Euren klugen Rat«, sagte Mohanad. »Nun denn, um mit der Geschichte meines Unglücks fortzufahren: Wir mussten Spanien nur mit den Kleidern, die wir am Leib trugen, verlassen. Uns war verboten, selbst die geringste Menge Gold, Silber oder Edelsteine mitzunehmen. Ich war kein reicher Mann, Don Miguel, doch durch harte Arbeit, Glück in Geschäftsdingen und die Gewohnheit, für unvorhersehbare Wechselfälle zu sparen, war ich wohlhabend geworden. Also tat ich das einzig mir Mögliche: Ich vergrub zwei irdene Töpfe voll Gold und anderen Wertgegenständen hinter dem Haus meines guten Freundes Sancho Panza, natürlich mit seiner Erlaubnis. So verließen wir spanischen Boden ohne eine Münze, bis auf etwas Geld für unsere Überfahrt an die Barbareskenküste. Wie Ihr nur allzu gut wisst – denn ich habe von Sancho von Eurer gemeinsamen Zeit in Algier gehört –, wurden wir dort nicht allzu freundlich aufgenommen. Die Türken hielten uns für Spanier, und da wir zum Christentum übergetreten waren, galten wir als nicht vertrauenswürdige Araber. Nach vielen Jahren der Kränkungen und Ungerechtigkeiten hatten wir genug Geld gespart, um ins Königreich Marokko umzusiedeln, wo wir seitdem leben. Ebendort begegnete ich eines Tages auf dem Basar meinem Freund Sancho, wo er an meinem Stand stehen blieb und die Teppiche bewunderte, die ich verkaufte. So glücklich war ich seit der Geburt meines ersten Enkelkindes nicht mehr gewesen. Obwohl es das Schicksal in Marokko besser mit uns meinte, träumen meine Kinder und Enkelkinder und ich davon, in die Neue Welt zu fahren, wo, wie wir gehört haben, Araber wohlwollend aufgenommen werden. Aber

Weitere Kostenlose Bücher