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Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
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dass ich noch am Leben war. Ich merkte, dass ich die zahllosen Stunden seelentötender Dunkelheit mit meinen bunten Erinnerungen an Córdoba aufhellen konnte. Und so ging ich in der Erinnerung durch die Stadt, deren Name ein Synonym für pícaro ist – die Stadt, in der sich betörende Frauen strickend auf ihren Fensterbänken gegenübersaßen und taten, als würden sie die dunklen Augen nie von ihrer Handarbeit heben, doch wenn eine der Frauen deinem Blick begegnete, wurden tiefe Leidenschaften geweckt, Männer konnten darüber den Verstand verlieren. Córdoba, die Stadt der legendären Lederarbeiter, wo auch das Herstellen von Wolle und Seide als Kunst galt; die Stadt, in der immer schlagende Tamburine, klingende Zimbeln und die durchdringenden Klagen der maurischen Flöten, die den Himmel beschworen, durch die Gassen schallten. In meiner Folterzelle in Algier, wo Wasser kostbarer war als Gold, dachte ich an die Stadt meiner Kindheit, in der von den Quellen der Sierra Morena kühle Bäche herabflossen und plätschernd aus den Brunnen sprudelten, um durch mosaikverzierte Kanäle hinab in den Alcázar zu fließen und dort die Teiche zu füllen, in denen es vor feisten orangefarbenen Fischen wimmelte, und die Blumen in den Beeten und die Bäume in den Obstgärten zu bewässern. Das Wasser der Sierra brachte die kühle Brise mit sich, die einer Liebkosung von Händen gleichkam, geölt mit einem Balsam aus der Neuen Welt.
    In den Zeiten, in denen ich die Hoffnung verlieren wollte – das Einzige, was ich besaß –, dachte ich auch mit Freude im Herzen an die Stadt, in deren Gärten den ganzen Vormittag unzählige Turteltauben einträchtig sangen. Ihr Lied schwoll mit der Hitze des Tages an, bis einem der Kopf davon ausgefüllt war und man vermeinte, sich in dem Crescendo, das ihr fiebriger Chor erzeugte, zu verlieren. Die Stadt, in der bei Sonnenuntergang die Schwalben in Schwärmen durch die Luft sausten, in so großer Zahl und derart dicht gedrängt, dass sie wie fliegende Teppiche aussahen, die über die Kirchtürme mit ihren Kreuzen und die nadelspitzen Minarette der Moscheen schwebten. Vor allem aber dachte ich daran, dass Córdoba die Geburtsstadt Senecas war, dessen Philosophie des Stoizismus mir umso wichtiger war, je älter ich wurde, und mir oft half, die Widrigkeiten des Schicksals mit Geduld und Gelassenheit zu ertragen.
    In der Dunkelheit des Erdlochs, in dem ich meine Tage und Nächte zubrachte, bereitete es mir auch einen gewissen Trost, an den mir liebsten Ort in Córdoba zu denken, die prächtige ehemalige Moschee. Die Cordobeses übersahen geflissentlich, dass der Geist dieses Gotteshauses kein christlicher war. Meine Mutter ging mit uns Geschwistern immer zur Sonntagsmesse dorthin, aber viel lieber besuchte ich die Kathedrale mit Abu, dessen Familie zum Christentum übergetreten war. Gebannt lauschte ich seinen Erzählungen über die gelehrten arabischen Herrscher, die die Moschee gebaut hatten, Männer, deren exotische Namen – Abd ar-Rahman, Al-Hakim II., Al-Mansur – eher mythologischen als menschlichen Lebewesen zu gehören schienen. Beim Umhergehen bewunderten wir die mit Blattgold und Lapislazuli verzierten Bögen, schlangen die Arme um die kühlen Säulen aus glattem rosafarbenen Granit, ließen uns betören von dem schuppenartigen Muster der Mosaike und den Formen, die das Sonnenlicht auf die Fliesenböden warf, wenn sie durch die runden Bleiglasfenster fiel. Dann wurde das Bauwerk zu einem magischen Ort, den nicht Sterbliche für andere Sterbliche errichtet hatten, sondern Zauberer für ein Volk, das Farbe und Eleganz als erhabene Manifestation des Göttlichen verehrte.
    Abu erzählte mir auch von den Schätzen, die in den Ruinen von Medina Azahara lagen, der sagenhaften Stadt unweit von Córdoba, die vor fünfhundert Jahren fast untergegangen war, ohne allzu viele Spuren zu hinterlassen. Während der Schulferien durchstreiften wir das Gebiet in der Hoffnung, einen Schatz zu heben, der angeblich so groß war wie der von Eldorado. Wir brauchten Stunden, um zu Fuß von Córdoba zu den Hängen der Sierra Morena zu gelangen, wo Medina Azahara gestanden hatte. Trotz unseres Eifers entdeckten wir höchstens Bruchstücke uralter glasierter Keramik. Diese Scherben steckte ich mir in die Tasche, befühlte sie immer wieder und träumte von einer Stadt, von der Abu sagte, sie sei die schönste und zivilisierteste in ganz Europa gewesen.
    Den moriscos war verboten, sich in der Öffentlichkeit auf

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