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Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
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werden meine Taten lauter sprechen als deine hasserfüllten Worte, und ich werde mein Herz für alle, die Augen haben zu sehen, auf dem Stoff tragen, der meine Brust bedeckt.«
    Mercedes unterbrach sich, als wollte sie mir Zeit geben, etwas zu erwidern. Keine verheiratete Frau in Spanien verließ ihren Mann und ihr Zuhause, ohne die Strafe der Gesellschaft und der Kirche auf sich zu ziehen. Ehebrecherinnen wurden oft vor die Inquisition gebracht. Außerdem gab es bei den adeligen Familien Kastiliens kein Beispiel für ihr Vorhaben.
    »Mir ist bewusst, dass es einen Skandal verursachen würde, wenn ich nach Ávila zöge, um in der Nähe der Gemeinschaft zu leben, die die Ehrwürdige Mutter gegründet hat. Und ich möchte nicht noch mehr Schande über dich, unseren Sohn und den Namen unserer Familie bringen. Deswegen ziehe ich nach Toledo, lebe im Haus unserer Großeltern und begleite Mamá Azucena während ihrer letzten Tage auf Erden. Pater Dionisio hat meinen Plänen seinen Segen gegeben. Ich hoffe, dass mein Verhalten über jeden Tadel erhaben sein wird, wenn ich in das angestammte Haus unserer Familie ziehe, und dass ich damit die gehässigen, klatschsüchtigen Zungen all jener zum Verstummen bringe, die nichts Besseres zu tun haben, als mit dem Finger auf andere Christen zu zeigen. Nichts, das die Gesellschaft sagt, kann meinem Herzen oder meiner Seele etwas anhaben, denn meine Schuld besteht allein darin, dass ich mein Leben der Hilfe anderer weihe, wie Jesus Christus es uns zu tun aufträgt.«
    »Wofür hältst du dich? Für eine Heilige? Das erfordert mehr, als ganz in Schwarz gekleidet in einem düsteren Raum Gebete zu verrichten. Es ist mir gleichgültig, inwieweit dein eigennütziges Tun meinen Namen beschädigt«, sagte ich. »Aber welche Art Mutter verlässt ihren Sohn? Das tun nur widernatürliche Tiere. So verhält sich kein wahrer Christ.«
    »Der Himmel wird mein Richter sein, Luis. Ich glaube nicht, dass Gott mich verdammen wird, wenn ich den kleinen Diego bei dir lasse. Unser Herr Jesus hat selbst seine Eltern verlassen, als die Zeit kam, das Werk zu tun, zu dem er berufen war. Was mich betrifft, bringen mir nur der Dienst an Gott und das Vollbringen guter Taten den Frieden, den ich ersehne. Die Frage der Erlösung meiner Seele gebe ich allein in Gottes Hand. In meinen Gebeten spüre ich, dass Gott sich mir zu erkennen gegeben und mich beauftragt hat, einer seiner Streiter für Unseren Erlöser Jesus Christus in der Schlacht gegen das Werk des Teufels zu sein. Ich glaube, der Allmächtige hat mir befohlen, mein Kreuz zu tragen. Ich muss mit Dankbarkeit alle Schläge hinnehmen, die mir ausgeteilt werden. Da Unser Herr mich in seinen Dienst stellt, vertraue ich darauf, dass er mir meine Sünden vergeben wird.«
    »Woher weißt du, dass du Gott zuhörst – und nicht dem Teufel?«
    »Deine Wut beeinträchtigt dein Denken, Luis. Dein Herz ist so voll Eifersucht, dass du Gefahr läufst, in deinem Zorn blind zu sein. Ich kann nicht weiter im selben Haus mit dir leben. Deine ungerechtfertigte und widervernünftige Eifersucht hat mir alle Freuden geraubt, ob kleine oder große.«
    Nichts von dem, was sie sagte, konnte mich überzeugen, dass sie Miguel de Cervantes seit seiner Rückkehr nicht getroffen hatte und dass sie tatsächlich, wie sie sagte, über jeden Tadel erhaben war. Ihr zuzuhören war, als würde ich dem Engel der Finsternis zuhören. »Gute Nacht«, sagte ich und verließ ihre Gemächer. Als ich wieder in meinen Räumen war, saß ich am geöffneten Fenster und weinte, bis in der Morgendämmerung die Sterne am Himmel verblassten.
    Mercedes’ Umzug nach Toledo in das angestammte Haus unserer Familie war für mich der Beweis, dass sie noch immer in Miguel verliebt war. Sie wählte nur deshalb ein Leben der guten Werke und der Buße, um nicht in Versuchung zu geraten. In den Monaten nach ihrem Auszug fraßen meine Rachefantasien mich wie räuberische Maden von innen her auf. Die erschreckenden Gedanken, die mich tagsüber quälten, suchten mich nachts in meinen Träumen heim. Ich überlegte, Miguel unter Verweis auf die Vorwürfe, die der Dominikaner Juan Blanco de Paz über sein unmoralisches Leben in Algier gemacht hatte, bei der Inquisition anzuzeigen. Es hätte mich nicht überrascht, wenn er sich den entarteten Gelüsten des Fleisches hingegeben hätte, für die die Türken berüchtigt waren. Noch schändlicher waren die Andeutungen, dass er während seiner Gefangenschaft zum renegado

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