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Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
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Kopf rauschte, mein Nacken zu Marmor erstarrt war und ich alles nur noch verschwommen wahrnahm. Ich schloss die Augen und blieb reglos am Schreibtisch sitzen. Ich tat, als wäre ich tot, damit ich mich nicht zu bewegen, nicht zu denken brauchte. Ich wusste nicht mehr, wo ich war. Als ich die Augen wieder öffnete, strömte das Licht der Spätnachmittagssonne durch die Fenster.
    Ich verließ das Ratsgebäude und schickte meine Träger fort; ich dachte, dass sich meine Erregung und mein Zorn bei einem schnellen Gang durch die kühle Frühlingsluft legen könnten. Das Gebäude, in dem der Königliche Indienrat untergebracht war, lag in der Nähe der Plaza Mayor. Ab Ende März, wenn die ersten Osterglocken durch das Erdreich brachen und sich die goldenen Trauerweiden grün färbten, ließen sich große Menschenmengen auf den öffentlichen Bänken nieder. Die Frauen saßen an den sonnigen Plätzen der Plaza und klaubten einander Läuse aus den Haaren. Die prächtig ausstaffierten Herren, die auf ihren edlen Pferden vorbeiritten, und die Damen, die in ihren Kutschen vorbeifuhren, gekleidet in prunkvollste Roben, das Haar mit einer schwarzen Spitzenmantilla bedeckt, waren das Ziel sarkastischer Bemerkungen der Kanaille. Die Tage waren vorbei, als das gemeine Volk den Hochwohlgeborenen noch Respekt zollte. Zweifellos hatte dieser gesellschaftliche Niedergang mit der Entdeckung Westindiens begonnen. Dadurch hatten die Armen und Ungebildeten die Überzeugung gewonnen, wenn sie nur in die Neue Welt gelangten und dort ein wenig Glück hätten, würden sie als die reichsten Marquis zurückkehren. Geld war zum neuen Souverän geworden. Die Abstammung zählte nicht halb so viel wie das Gewicht der Goldmünzen, die man in der Tasche trug.
    Wenn Mercedes und Miguel sich heimlich trafen, so sagte ich mir beim Gehen, dann war es mein Recht, meine Ehre zu verteidigen und ihn zu töten, auch wenn mir dann die ewige Verdammnis gewiss war. Wenn Mercedes und Miguel ein Liebespaar waren, konnten sie und ich nicht mehr im selben Haus leben. Aber Diego liebte seine Mutter, und ich würde alles tun, um meinem Sohn nicht wehzutun. Miguel war eine andere Sache: Die Vorstellung, ihm die Spitze meines Schwerts in die Kehle zu rammen, erregte mich.
    Ich war bis zur Brücke über den Manzanares gegangen. Die wärmende Sonne stand noch am Himmel. Dann sah ich die schockierenden Frauen, die an warmen Tagen dort nackt im Fluss badeten. Eine ganze Reihe von ihnen sonnte sich auf den Steinen, das lange Haar hing offen an ihnen herab, die Beine hatten sie gespreizt. Eine von ihnen sah, dass ich hinüberstarrte, und schrie: »He Ihr, der wie ein Jesuit aussieht!« Wie gelähmt von ihrer Unverschämtheit blieb ich reglos stehen. Die Frau legte ihre Hände um ihre Brüste, presste sie zusammen und sagte: »Kommt und kostet diese saftigen Melonen. Gönnt Euch eine Kostprobe des Lebens. Eine solche Süße kann Eure Frau Euch nicht geben.« Ich floh. Das Lachen und Johlen der Frauen folgten mir nach.
    Die Glocken der Kirche San Nicolás de los Servitas schlugen neunmal, als ich schließlich vor meiner Haustür stand. Ich konnte mich nicht erinnern, wo ich gewesen war oder was ich gesehen hatte, seit ich die Brücke verließ. Ich war nass von kaltem Schweiß, Gedanken wirbelten mir durch den Kopf, meine Hände zitterten, mein Mund und die Kehle waren ausgedörrt.
    Sobald ich in meinen Gemächern war, verschloss ich die Tür. Kerzen brannten, die Kohlen im Becken loderten. Auf dem Esstisch war mein übliches Abendessen angerichtet: eine geräucherte Forelle, ein kleiner Laib Brot, ein Stück Manchego, Olivenöl, Salz, eine halbierte Orange und ein Krug roten Weins aus den Weingärten meiner Großeltern in Toledo. Ich schenkte mir einen Becher ein, leerte ihn in einem Zug und setzte mich auf den Stuhl neben das Kohlebecken, um mir Hände und Füße zu wärmen. Aber nahe der glühenden Kohlen wurde mir fiebrig-heiß, die schwere Luft im Raum war erstickend.
    Ich öffnete das Fenster, das auf den Hof hinausging, und setzte mich auf die Fensterbank. Es war eine mondlose, sternenklare Nacht, in der frostigen Luft brannte mir das Gesicht. Die Feigenbäume mit ihrem dunklen Laub standen umhüllt von schwarzen Schatten um den Trinkbrunnen in der Mitte des Innenhofs, auf dem Beet weißer Rosen lag dichter Tau. Es herrschten eine gespenstische Stimmung und eine Grabesstille, der Innenhof erinnerte mich an den abgelegenen Teil eines Friedhofs, den selbst die Eulen der Nacht

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