Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
Vom Netzwerk:
nicht überlegt, dass ich Miguel, indem ich seinem Ersuchen nicht entsprach, dazu zwang, nach Madrid zurückzukehren. Im folgenden Winter war er wieder in unserer Stadt. Allein ihn in der Nähe zu wissen genügte, um wieder das Untier der Eifersucht zu wecken. Mich quälte die Vorstellung, Mercedes würde mich erneut mit Miguel betrügen und mich zum Gespött ganz Madrids machen. Meine Ehre verlangte, dass ich jede Beziehung, die sie haben mochten, mit der Wurzel ausrottete. Obwohl Mercedes und ich, nachdem ich ihren Verrat entdeckt hatte, weiterhin im selben Haus wohnten, führten wir getrennte Leben, und es gab niemanden, den ich bitten konnte, sie für mich zu bespitzeln. Wenn ich meinen Verdacht bestätigt wissen wollte, musste ich die beiden selbst auf frischer Tat ertappen. Und so brach ich morgens zur üblichen Zeit in die Arbeit auf und kehrte wenige Stunden später zurück, wobei ich stets darauf achtete, den Bediensteten zu sagen, ich hätte ein wichtiges Dokument in meinen Räumen vergessen oder müsste ein juristisches Buch aus meiner Bibliothek konsultieren. Kein Mal jedoch war am Verhalten des Personals oder an seinen Blicken zu erkennen, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging.
    Mein Sohn war für seine zwölf Jahre zu klein und anfällig, weshalb er zu Hause unterrichtet wurde. Der kleine Diego konnte bereits Lateinisch und Griechisch und hatte sein Studium des trivium abgeschlossen: Grammatik, Rhetorik und Dialektik. Sein Hauslehrer, Pater Jerónimo, und ich wussten beide, dass mein Sohn ein Wunderkind war. Dennoch sprach sich Pater Jerónimo dagegen aus, dass Diego allzu früh mit dem Studium der Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie begann, also des quadrivium , das die notwendige Voraussetzung für den Besuch der Universität darstellte.
    Ich beschloss, Diego gegenüber zu erwähnen, dass ich Madrid für mehrere Tage verlassen und geschäftlich nach Toledo fahren müsse. Mit einer Ausrede kehrte ich zwei oder drei Tage vor dem genannten Termin zurück, aber der festgelegte Tagesablauf in unserem Haus folgte seinem üblichen Gang. Ich überlegte mir, Mercedes’ Post abzufangen, doch dann müsste ich einen Dienstboten ins Vertrauen ziehen, und ich konnte die Vorstellung nicht ertragen, dass jemand vom Personal wusste, was mich quälte. Nicht einmal dem treuen Juan, der seit meiner Kindheit mein Leibdiener war, konnte ich mich anvertrauen.
    Abends, nachdem ich gegessen hatte, fragte ich Diego nach den Erlebnissen seines Tages und hoffte, in seiner Unschuld würde er mir erzählen, wenn Miguel zu Besuch gekommen war. Ich hoffte auch, er würde mir sagen, wenn Mercedes allein das Haus verließ, oder nur in Begleitung Leonelas, und stundenlang ausblieb.
    Gleichgültig, wie lange ich mich im Königlichen Indienrat in meine Aufgaben vertiefte, meine Eifersucht auf Miguel drohte, mich wie ein virulenter lepröser Aussatz zu verzehren.
    Eines Tages kam ich um die Mittagszeit nach Hause und fragte Isadora, ein junges Hausmädchen, das für das Putzen zuständig war, ob ihre Herrin da sei.
    »Doña Mercedes hat das Haus mit Señorita Leonela verlassen, Euer Ehren«, sagte sie.
    »Wie lange ist das her?« Es war eine einfache Frage, aber das Mädchen wirkte verstört. »Also, vor mehr als einer Stunde?«
    Sie senkte den Kopf und flüsterte: »Ich weiß es nicht, Euer Ehren.«
    »Kann Sie nicht die Uhr lesen? Gehe Sie«, sagte ich. Das Mädchen knickste, ich blieb allein im Flur stehen.
    Ich rief Juan in meine Gemächer und sagte ihm, ich wolle nicht gestört werden. Mit wachsender Erregung schritt ich auf und ab. Es kam mir vor, als lebte in meiner Brust ein Inkubus, der mit geballten Fäusten gegen meine Rippen hämmerte, um freigesetzt zu werden. Ich erwog, das Haus zu verlassen und Mercedes zu suchen. Aber wo sollte ich anfangen? Aller Ungeduld zum Trotz würde ich warten müssen, bis sie nach Hause zurückkehrte. Die Uhr an der Zimmerwand tickte, jede Minute dehnte sich zu einer schier endlosen Qual. Was, wenn Mercedes erst in Stunden heimkehrte? Ich kam mir in meinen eigenen Räumen wie ein Gefangener vor. Ich wollte Diego während seines Unterrichts nicht stören und ihn auch nicht meine Erregung sehen lassen.
    Ich brach zum Indienrat auf und hoffte, mich mit Arbeit ablenken zu können. Als ich hinter meinem Schreibtisch saß, sagte ich zu meinem Gehilfen, er solle mich den Rest des Tages nicht stören. Ich zwang mich, stumpfsinnige Berichte zu lesen und Notizen zu machen, bis mir das Blut im

Weitere Kostenlose Bücher