Die Lennox-Falle - Roman
vollständig informiert werden. Darauf habe ich vor zwei Stunden bestanden, und Washington hat zugestimmt. Bis dahin kann ich Ihnen nur sagen - und das ist alles, was ich weiß - daß die Geldfährte, die über die Schweiz nach Österreich und dort zu der sich ausbreitenden Nazibewegung führt, von Leuten hier in Frankreich ausgeht. Wer das ist, wissen wir nicht, aber es geht um immense Beträge, Millionen und Abermillionen Dollar. Und das Geld fließt zu Fanatikern, die die Partei wieder aufbauen - Hitlers Partei im Exil -, aber noch in Deutschland, in Deutschland versteckt.«
»Und, wenn Sie recht haben, bedeutet das, daß es eine weitere Organisation hier gibt - wollen Sie das sagen?« fragte Bressard.
»Jodelles Verräter«, flüsterte Jean-Pierre Villier und lehnte sich in seinem Stuhl nach vorne. »Der französische General!«
»Oder etwas, das er aufgebaut hat«, sagte Lennox.
»Herrgott, wovon redet ihr beiden?« rief die Frau des Schauspielers aus. »Ein neu entdeckter Vater, die Résistance, Nazis,
Millionen von Dollar, die zu Fanatikern in den Bergen strömen! Das klingt alles verrückt - fou! «
»Ich schlage vor, Sie fangen ganz von vorne an, Drew Lennox«, sagte der Schauspieler mit leiser Stimme. »Vielleicht kann ich dann ein paar Dinge beitragen, von denen ich vor dem heutigen Abend noch nichts wußte.«
2
N ach den in unserem Besitz befindlichen Aufzeichnungen«, begann Lennox, »erschien im Juni 1946 mehrmals ein repatriierter Angehöriger der französischen Résistance bei unserer Botschaft, der sich abwechselnd der Namen Jean Froisant und Pierre Jodelle bediente, wobei er in unterschiedlicher Verkleidung und stets nachts auftrat. Er behauptete, die Pariser Gerichte versuchten, ihn im Hinblick auf seine Kenntnisse über verräterische Aktivitäten eines Führers der Résistance zum Schweigen zu bringen. Angeblich handelte es sich bei dem Verräter um einen französischen General, der sich wie die anderen Ihrer Generale, die in Frankreich geblieben waren, während der Besatzungszeit in privilegiertem Hausarrest befunden hatte, den ihnen die deutsche Oberste Heeresleitung zugestand. Die OSI-Ermittler kamen zu einer negativen Beurteilung und erklärten, Froisant/Jodelle sei geistesgestört, wie andere Hunderte, wenn nicht Tausende, die man in den Konzentrationslagern zu seelischen Krüppeln gemacht hatte.«
»Das OSI ist das Büro für Sonderermittlungen, Office of Special Investigations, wie die offizielle Amtsbezeichnung lautet«, erklärte Bressard, dem die Verwirrung in den Gesichtern der beiden Villiers aufgefallen war. »Das ist die amerikanische Behörde, die für die Verfolgung von Kriegsverbrechern eingerichtet worden war.«
»Tut mir leid, ich dachte, das wüßten Sie«, sagte Lennox. »Das OSI war hier in Frankreich in erheblichem Maß und in enger Zusammenarbeit mit Ihren Behörden tätig.«
»Ja, natürlich«, sagte Giselle. »Das war die offizielle Bezeichnung. Man hat mir erzählt, daß man hier andere Bezeichnungen dafür hatte. Kollaborateurjäger, Schweinesucher und noch eine ganze Anzahl anderer.«
»Bitte fahren Sie fort«, sagte Jean-Pierre und runzelte die Stirn. »Man hat Jodelle also zum Verrückten erklärt - einfach so?«
»Das geschah keineswegs willkürlich, falls Sie das meinen. Er wurde ausführlich befragt, und die Archive enthalten drei separate Aussagen, die unabhängig voneinander aufgenommen wurden, um seine Darlegungen auf Unstimmigkeiten zu überprüfen. Das ist die übliche Vorgehensweise -«
»Dann haben Sie die Information also«, fiel ihm der Schauspieler ins Wort. »Wer war dieser General?«
»Das wissen wir nicht -«
»Sie wissen es nicht?« rief Bressard aus. » Mon Dieu , Sie haben die Unterlagen doch nicht etwa verloren, oder?«
»Nein, wir haben sie nicht verloren, Henri. Sie sind gestohlen worden.«
»Aber Sie sagten doch ›nach unseren Aufzeichnungen‹!« warf Giselle ein.
»Ich sagte ›nach den in unserem Besitz befindlichen Aufzeichnungen‹«, korrigierte sie Lennox. »Man kann einen Namen in einem bestimmten Zeitraum mit einem Index versehen und erhält dann die bestätigten Unterlagen, soweit vorschriftsmäßig vorgegangen worden war. Materialien wie Verhörprotokolle und Aussagen werden aus Datenschutzgründen in separaten Archiven unter Verschluß gehalten … und diese Akten sind verschwunden. Warum wissen wir nicht - aber vielleicht wissen wir es jetzt.«
»Aber Sie waren über mich informiert«, sagte Jean-Pierre.
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