Die Lennox-Falle - Roman
eigentlich selbst nicht richtig begreife. Aber ich weiß jedenfalls, daß ich recht habe. Und wenn Sie mir erlauben, Sir, da ich Ihre Vergangenheit einigermaßen kenne, glaube ich, daß Sie selbst früher auch gelegentlich solche einsamen Entscheidungen getroffen haben.«
»Hören Sie auf mit dem Blödsinn, Lennox«, sagte Sorenson müde und zugleich frustriert. »Was wissen Sie, und was wollen Sie unternehmen? Warum spielen Sie Harrys Rolle?«
Widerstrebend schilderte Drew die letzten Minuten seines Bruders, den für ihn völlig uncharakteristischen Gefühlsausbruch, die Tränen, seine offenkundige Verwirrung und die Mühe, die es ihm bereitete, zwischen seiner echten Identität und der seiner Tarnung zu unterscheiden, und schließlich seine Weigerung Näheres über einen Arzt zu sagen, obwohl er seinen Namen mehrfach gegenüber Karin de Vries und dann auch ihm selbst, Drew, gegenüber gebraucht hatte. »Er hat ihn erwähnt«, erklärte Lennox, »als ob der Mann schutzbedürftig wäre.«
»Das ist das Stockholm-Syndrom, Drew. Die Geisel identifiziert sich mit dem Geiselnehmer. Seine Empfindungen sind völlig durcheinander. Harry war ganz einfach ausgebrannt; er hat dieses Leben zu lange geführt.«
»Alles das ist mir klar, Wes, auch diese abgedroschene Stockholmtheorie, die mir, wenigstens soweit es Harry betrifft, viel zu
allgemein erscheint. Er hatte nichts von seiner allgemein bekannten kühlen Rationalität verloren. Dieser Dr. Gerhard Kröger, das war der Name, den er erwähnte, war für meinen Bruder irgendwie wichtig. Er weiß, was mit Harry passiert ist. Vielleicht sogar, wie er sich diese Liste mit Namen verschafft hat. Möglicherweise steht dieser Kröger auf unserer Seite und hat ihm die Liste zugespielt.«
»Ich halte alles für möglich. Im Augenblick ist diese Liste so etwas wie eine nationale Katastrophe. Das FBI hat augenblicklich alle Hände voll damit zu tun, j eden einzelnen auf dieser Liste unter die Lupe zu nehmen.«
»So weit sind die Dinge schon gediehen?«
»Um die Worte unseres Außenministers zu gebrauchen, wird ›die Nation dieser Regierung für alle Zeit dankbar sein, wenn es ihr gelingt, den Nazieinfluß in diesem Lande auszutilgen.‹ Es klingt so wie ›zum Teufel mit den Torpedos, Volldampf voraus‹.«
»Mein Gott, da kann einem ja angst werden.«
»Das sehe ich auch so, aber zugleich kann ich auch verstehen, warum es so abläuft. Harry war der beste und erfahrenste Mann, den die Agency hatte. Es ist nicht leicht, seine Erkenntnisse einfach abzutun.«
»Sagen Sie nicht war«, korrigierte ihn Drew. »Ist, Wes. Harry lebt, er muß so lange am Leben bleiben, bis ich diesen Gerhard Kröger ausräuchern kann.«
»Wenn er lebt, muß er mit der Agency Verbindung aufnehmen, Sie verdammter Narr!«
»Das kann er nicht, denn, wie ich Ihnen ja sagte, weiß er, daß es in Langley undichte Stellen gibt, und zwar ganz oben und bei den AA-Zero-Computern, und das ist praktisch unmittelbar in Direktor Talbots Umgebung.«
»Ich habe das an Knox weitergegeben. Er kann es nicht glauben.«
»Das sollte er aber, es stimmt nämlich.«
»Er befaßt sich damit, ich habe ihn überzeugt«, sagte Sorenson. »Aber Ihr Alleingang muß ein Ende haben, junger Mann. Wenn Sie so weitermachen, vertraut Ihnen niemand mehr.«
»Mein Alleingang ist in Wirklichkeit nur bedingt einer, weil ich nämlich Kontakt zu Langley habe.«
»Aber nicht über mich. Ich werde Consular Operations nicht kompromittieren, indem ich die Agency umgehe. In dieser Stadt wird genug in fremden Gewässern gefischt, und ich bewundere Knox Talbot, ich habe hohen Respekt für ihn. Ich will damit nichts zu tun haben.«
»Das wußte ich. Deshalb habe ich mir jemand anderen gesucht. Erinnern Sie sich an Witkowski, Colonel Stanley Witkowski?«
»Sicher. G-2 Berlin. Ich hatte ein paarmal mit ihm zu tun, ein äußerst fähiger Mann - stimmt, er ist jetzt in der Botschaft eingesetzt.«
»Sicherheitschef. Er verfügt über die nötigen Referenzen, um den DCI zufriedenzustellen. Harry hat in Berlin mit Witkowski zusammengearbeitet, und deshalb ist er die ideale Kontaktperson für mich, weil mein Bruder ihm vertraut hat - zum Teufel, er mußte das schließlich, der Colonel hat ihm letztlich genügend Material geliefert. Stanley wird schon einen Weg finden, Talbot inoffiziell zu erreichen und ihn zu bitten, eine gründliche Untersuchung über diesen Kröger zu veranstalten.«
»Das macht Sinn, Witkowski, ja, das macht Sinn. Was soll ich
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