Die Lennox-Falle - Roman
Eispickel in die Seite zu stoßen. Ein paar Blutstropfen quollen aus der Wunde, und wenn sie ihren Stoß hätte vollenden können, so wäre die Waffe ohne Zweifel Villier ins Herz gedrungen, aber Moreaus Agentin packte die Attentäterin am Handgelenk und drehte es ihr herum. Dann versetzte sie ihr einen Handkantenschlag an den Hals und warf die Frau zu Boden.
»Alles in Ordnung, Monsieur?« schrie die Agentin des Deuxième dann und blickte zu dem Schauspieler auf, während sie die Attentäterin mit ihrem Gewicht zu Boden preßte.
»Nur ein kleiner Stich, Mademoiselle - wie kann ich Ihnen danken?«
»Jean-Pierre -«
»Ganz ruhig, Liebste, mir fehlt nichts«, erwiderte der Schauspieler und griff sich an die linke Seite und nahm wieder Platz,
»aber dieser mutigen Frau verdanken wir viel. Sie hat mir das Leben gerettet!«
Plötzlich tauchte wie aus dem Nichts Claude Moreau auf. Er wirkte zugleich besorgt und doch irgendwie erlöst. »Wir haben es geschafft, Monsieur und Madame - Sie haben es geschafft. Wir haben unseren Blitzkrieger.«
»Mein Mann ist verletzt«, schnauzte Giselle Villier ihn an.
»Dafür bitte ich um Entschuldigung, Madame, aber es ist keine ernste Verletzung, und er hat damit einen ungeheuer wichtigen Beitrag geleistet.«
»Sie haben versprochen, daß ihm nichts passieren würde!«
»In meinem Geschäft sind Garantien nicht immer absolut. Aber, wenn ich das so sagen darf, er hat damit eine Tat vollbracht, für die ihm Frankreich ewig dankbar sein wird.«
»Das ist doch leeres Gewäsch!«
»Nein, das ist es nicht, Madame. Ob es Ihnen nun paßt oder nicht, diese widerwärtigen Nazis kommen wieder aus ihren Löchern, aus dem Dreck, den sie selbst geschaffen haben. Jeder Stein, den wir umdrehen, bringt uns näher an das Gewürm, das sich darunter verbirgt. Aber Sie haben jetzt das Ihre getan. Genießen Sie Ihren Urlaub auf Korsika. Sobald Sie vom Arzt kommen, erwartet Sie Ihr Flugzeug in Nizza, der Quai d’Orsay übernimmt alle Kosten.«
»Ich kann auf Ihr Geld verzichten, Monsieur«, sagte Jean-Pierre. »Ich würde gern mit dem Coriolanus weitermachen.«
»Du liebe Güte, warum? Sie haben doch Ihren Triumph gefeiert. Warum tun Sie sich das also an?«
»Weil ich genau wie Sie, Moreau, in dem Beruf, den ich mir ausgewählt habe, recht gut bin.«
»Darüber reden wir noch, Monsieur. Der Erfolg eines Abends sagt noch nicht, daß die Schlacht vorbei ist.«
Lawrence Roote, Senator des Staates Colorado, ein grauhaariger Mann von dreiundsechzig Jahren, legte in seinem Büro in Washington den Hörer auf. Er war zutiefst beunruhigt. Beunruhigt, verwirrt und wütend. Warum ermittelte das FBI gegen ihn, ohne daß man ihn davon informiert hatte? Was sollte diese Untersuchung und wer hatte sie veranlaßt? Und noch einmal, warum das
Ganze? Sein zugegebenermaßen beträchtliches Vermögen war auf seinen Wunsch in einen Treuhandfonds eingebracht worden, um auch den leisesten Anschein irgendwelcher Interessenkonflikte zu vermeiden; seine zweite Ehe war grundsolide, nachdem seine erste Frau auf tragische Weise bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war; seine beiden Söhne, der eine Banker, der andere Universitätsdekan, waren angesehene Bürger ihrer jeweiligen Gemeinden, und zwar in einem Maße, daß Roote das manchmal beinahe für unerträglich hielt; er hatte in Korea seinen Militärdienst abgeleistet, ohne daß es zu irgendwelchen Zwischenfällen gekommen war, und war wegen Tapferkeit vor dem Feind mit einem Silver Star ausgezeichnet worden, und sein Alkoholkonsum beschränkte sich auf zwei oder drei Martinis vor dem Dinner. Was gab es also zu ermitteln?
Seine konservativen Ansichten waren wohlbekannt und wurden häufig von der liberalen Presse attackiert, die ihn beständig mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten ärgerte und ihn als einen fanatischen Ultrarechten erscheinen ließ, was er keineswegs war. Seine Kollegen aus beiden Flügeln des Senats kannten ihn als einen fairen Politiker, der sich die Ansichten der Opposition ohne Vorurteil anhörte. Das änderte freilich nichts an seiner festen Überzeugung, daß die Leute, wenn die Regierung zuviel für sie tat, zuwenig für sich selbst taten.
Außerdem stammte sein Reichtum nicht aus einer Erbschaft, seine Familie war bettelarm gewesen. Roote hatte die schlüpfrige Leiter zum Erfolg selbst erstiegen. Er hatte sein Studium an einem kleinen, obskuren College und der Wharton School of Finance absolviert und war dann von einigen seiner
Weitere Kostenlose Bücher