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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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über den Rücken.
    Ein Geräusch hinter ihm schreckte ihn auf, und er fuhr herum. Als er sah, was da im Türrahmen stand, trat er ängstlich einen Schritt zurück und sagte unwillkürlich: »Mein Gott!« Sein Blick fiel auf eine untersetzte Gestalt, deren Gesicht durch das grelle Licht im Raum nebenan dunkel beschattet war. »Wer sind Sie?«, fragte er und hörte deutlich die Furcht in seiner eigenen Stimme.
    Die Gestalt trat ins Licht und verwandelte sich in einen Mann im Uniformhemd eines Gestapo-Wachtmeisters. Er war klein und feist und hatte ein fleischiges Gesicht. Sein aschblondes Haar war so kurz geschnitten, dass er auf den ersten Blick kahlköpfig wirkte. »Was machen Sie hier?«, fragte er in hessischem Dialekt.
    Dieter Franck fing sich wieder. Die Folterkammer hatte ihn nur vorübergehend nervös gemacht. Jetzt antwortete er in seinem normalen, befehlsgewohnten Ton: »Major Franck. Ihr Name?«
    Der Mann reagierte unterwürfig. »Wachtmeister Becker, Herr Major. Zu Befehl, Herr Major.«
    »Bringen Sie so schnell wie möglich die Gefangenen herunter, Becker«, sagte Franck. »Diejenigen, die laufen können, sofort und die anderen, sobald sie ärztlich versorgt sind.«
    »Jawoll, Herr Major. Ärztlich versorgt...«
    Während Becker sich entfernte, kehrte Franck ins Verhörzimmer zurück, setzte sich auf einen der harten Stühle und fragte sich, welche Informationen sich wohl aus den Gefangenen herausholen ließen. Es war gut möglich, dass sich ihr Wissen lediglich auf ihren jeweiligen Heimatort beschränkte. Hatte er Pech und die Gegenseite hielt ihre Sicherheitsmaßnahmen streng ein, dann wussten die Leute nicht einmal über ihre eigene Gruppe genau Bescheid. Andererseits – perfekte Sicherheit gab es nicht. Es ließ sich gar nicht vermeiden, dass sich bei einer konspirativen Gruppe von mehreren Personen im Laufe der Zeit eine Menge Informationen über die eigene Resistance-Zelle anhäufte – und manchmal sogar über andere Zellen. Dieter
    Francks Traum war es, über eine Gruppe zur nächsten zu finden und von dieser zur übernächsten. Gelang ihm das, so konnte er der Resistance in den verbleibenden Wochen vor der alliierten Invasion noch enormen Schaden zufügen.
    Er hörte Schritte im Flur und sah hinaus. Man führte die Gefangenen herein. Als Erste kam die Frau, die eine Sten unter ihrem Mantel verborgen gehalten hatte. Franck freute sich; es war immer sehr hilfreich, eine Frau unter den Gefangenen zu haben. Beim Verhör konnten sich Frauen als ebenso zäh wie Männer erweisen, doch eine der besten Methoden, einen Mann zum Reden zu bringen, bestand darin, vor seinen Augen eine Frau zusammenzuschlagen. Die Frau, die gerade hereingebracht wurde, war groß und attraktiv – umso besser. Allem Anschein nach war sie unverletzt. Mit erhobener Hand veranlasste er den Soldaten, der sie eskortierte, stehen zu bleiben und sprach die Frau freundlich auf Französisch an: »Wie heißen Sie?«
    Sie sah ihn von oben herab an. »Was geht Sie das an?«
    Franck zuckte mit den Schultern. Dieses Obstruktionsniveau ließ sich leicht überwinden. Er entschloss sich zu einer Antwort, die ihm wohl schon hundert Mal weitergeholfen hatte: »Es kann sein, dass sich Ihre Angehörigen erkundigen werden, ob Sie in Haft sind. Wir können ihnen nur helfen, wenn wir wissen, wer Sie sind.«
    »Mein Name ist Genevieve Delys.«
    »Ein schöner Name für eine schöne Frau.« Er winkte sie weiter.
    Als Nächster kam ein Mann in den Sechzigern, der aus einer Kopfwunde blutete und obendrein hinkte. »Sie sind ein bisschen alt für solche Sachen, meinen Sie nicht?«, sagte Franck.
    Der Mann gab sich stolz. »Ich habe die Bombe gelegt«, sagte er trotzig.
    »Name?«
    »Gaston Lefevre.« »Merken Sie sich eines, Lefevre«, sagte Franck in freundlichem Ton. »Es hängt allein von Ihnen ab, wie lange die Schmerzen dauern. Sie entscheiden, wann sie aufhören.«
    Der Mann erkannte, was auf ihn zukam. Angst lag in seinem Blick.
    Franck nickte zufrieden. »Gehen Sie weiter.«
    Der Nächste war ein junger Bursche, nach Francks Schätzung nicht älter als siebzehn, ein gut aussehender Junge, dem das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand.
    »Name?«
    Der Junge zögerte, er war wie benommen vor Schrecken. Nach kurzem Nachdenken sagte er: »Bertrand Bisset.«
    »Guten Abend, Bertrand«, sagte Franck vergnügt. »Willkommen in der Hölle.«
    Der junge Mann sah aus, als habe man ihn geschlagen.
    Franck schob ihn weiter.
    Unvermittelt tauchte

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