Die Leopardin
der Dame eine Tasse heißen Kaffee.«
Die Frau kam, warf Stephanie einen hasserfüllten Blick zu und sagte: »Sehr wohl, der Herr.«
»Und einen Cognac bitte. Sie steht unter Schock.«
»Cognac gibt’s keinen.«
Natürlich gab es Cognac – nur hatte sie keine Lust, der Geliebten eines Deutschen einen zu bringen. Franck wollte sich in diesem Punkt auf keinen Streit einlassen. »Dann eben nur Kaffee«, sagte er. »Aber ein bisschen dalli, sonst gibt’s Ärger.«
Er tätschelte Stephanie die Schulter und ließ sie allein. Durch hohe Doppeltüren betrat er den Ostflügel, wo sich nach dem Vorbild von Versailles ein Salon an den anderen reihte. Alle Räume steckten voller Schalttafeln, nur wirkten diese hier mehr für die Dauer installiert, und die zu Bündeln zusammengefassten Kabel waren in ordentlichen, mit Holz verkleideten Schächten verlegt, die durch Löcher im Fußboden in den darunter liegenden Keller führten. Franck folgerte, dass es sich bei der Unordnung in der Empfangshalle um Notfallmaßnahmen handeln musste, die nach der Bombardierung des Westflügels erfolgt waren. Einige Fenster waren zur Vorbeugung gegen mögliche Luftangriffe dauerhaft verdunkelt, bei anderen jedoch waren die schweren Vorhänge aufgezogen. Franck nahm an, dass die Frauen nicht gerne in permanenter Dunkelheit arbeiteten.
Am Ende des Ostflügels kam Franck zu einem Treppenhaus und ging hinab in den Keller. Am Fuß der Treppe befand sich eine Stahltür, gleich dahinter standen ein kleiner Schreibtisch und ein Stuhl, auf dem normalerweise vermutlich ein Wachtposten saß. Wahrscheinlich hatte er seinen Platz verlassen, um in das Gefecht einzugreifen. Wie dem auch sein mochte – Franck konnte den Keller unkontrolliert betreten und registrierte in Gedanken einen weiteren Verstoß gegen die Sicherheitsvorschriften.
Hier unten sah es anders aus als in den repräsentativen Räumlichkeiten der Hauptgeschosse. Die Erbauer des Schlosses hatten hier Küchen- und Vorratsräume sowie Quartiere für das vielköpfige Personal vorgesehen, das vor dreihundert Jahren im Dienste der Schlossherren stand. Die Decken waren niedrig, die Wände kahl, der Fußboden bestand aus einfachen Steinfliesen oder sogar nur aus gestampfter Erde. Franck setzte seinen Weg durch einen breiten Korridor fort. Obwohl jede Tür mit einer Dienststellenbezeichnung in gestochener deutscher Schrift gekennzeichnet war, warf er überall kurz einen Blick hinein. Links von ihm, zur Vorderseite des Gebäudes hin, war die komplizierte Technik einer großen Fernmeldezentrale untergebracht: ein Generator, riesige Batterien, mehrere Zimmer mit unzähligen unübersichtlichen Kabelsträngen. Auf der rechten Seite waren die Räume der Gestapo: ein Fotolabor, ein großer Abhörraum zur Überwachung des Funkverkehrs der Resistance sowie mehrere Haftzellen mit Gucklöchern in den Türen. Der Keller war bombensicher: Die Fenster waren verrammelt, die Wände mit Sandsäcken gesichert und die Decken mit Stahlbeton verstärkt. All dies diente eindeutig dem Zweck, die Ausschaltung des Telefonnetzes durch die Bomber der Alliierten zu verhindern.
Am Ende des Korridors gelangte Franck zu einer Tür, die mit »Verhörzentrale« bezeichnet war. Der erste Raum, den er betrat, hatte kahle, weiß getünchte Wände, helle Lampen und das übliche Mobiliar: einen billigen Tisch, harte Stühle und einen Aschenbecher. Im zweiten, daran angrenzenden Zimmer waren die Lampen weniger hell, und die Mauern bestanden aus unverputzten Ziegelsteinen. An einem mit Blutflecken übersäten Pfosten waren verschiedene Haken angebracht, die zur Fesselung der Delinquenten dienten, und in einem Schirmständer lehnte eine Auswahl von Holzknüppeln und Stahlruten. Des Weiteren befanden sich in dem Raum ein Operationstisch aus einem Krankenhaus mit Kopfklammern und Riemen zum Festzurren von Handgelenken und Fußknöcheln, ein Gerät zur Erzeugung von Elektroschocks und ein verschlossener Schrank, der vermutlich verschiedene Drogen und Injektionsnadeln enthielt. Dies war eine Folterkammer. Obwohl sich Dieter Franck schon oft in solchen Räumen aufgehalten hatte, drehte sich ihm jedes Mal wieder der Magen um, und er musste sich ins Gedächtnis rufen, dass die Informationen, die man in dieser Umgebung gewann, dazu beitrugen, dass anständige junge deutsche Soldaten am Leben blieben und eines Tages zu Frau und Kind zurückkehren konnten, statt auf dem Schlachtfeld zu verbluten. Trotzdem lief ihm auch diesmal wieder ein Schauer
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