Die Lerche fliegt im Morgengrauen
vorbeihumpelten, meinte er: »Gute Nacht, ihr beiden«, und schloß die Tür.
Während er immer noch die Walther in der linken Hand hielt, zündete er sich eine Zigarette mit einem Streichholz aus dem Ständer auf der Bar an und sah lächelnd zu dem alten Barkee per. Dieser starrte ihn entsetzt an. »Kein Problem, Dad. Es war nicht Ihre Schuld.« Dann lehnte er sich an die Bar und rief auf englisch: »Na schön, Makeev, ich weiß, daß Sie da sind, also kommen Sie schon raus!«
Der Vorhang teilte sich, und Makeev und Aroun traten hin durch. »Mein lieber Sean, ich freue mich, Sie wiederzusehen.«
»Sie sind das reinste Weltwunder«, sagte Dillon, und in sei
ner Stimme lag die Spur eines irischen Akzents. »Gerade wollten Sie mich noch tranchieren lassen, und schon sind Sie
wieder die Nettigkeit in Person.«
»Es war nötig, Sean«, meinte Makeev. »Ich mußte meinen Freund hier überzeugen. Darf ich euch miteinander bekannt machen?«
»Lassen Sie nur«, winkte Dillon ab. »Ich habe sein Bild schon oft genug in der Zeitung gesehen. Wenn es nicht gerade im Börsenteil ist, dann gewöhnlich in der Gesellschaftsspalte. Michael Aroun, nicht wahr? Der Mann mit allem Geld der Welt.«
»Nicht mit allem, Mr. Dillon.« Aroun streckte seine Hand aus.
Dillon ignorierte sie. »Schenken wir uns die Formalitäten, mein Sohn, und sagen Sie Ihrem Freund hinterm Vorhang, er soll ebenfalls rauskommen.«
»Rashid, tun Sie, was er sagt«, rief Aroun und meinte dann zu Dillon: »Er ist nur mein Gehilfe.«
Der junge Mann, der zum Vorschein kam, hatte ein dunkles, wachsames Gesicht und trug einen Ledermantel. Der Kragen war hochgeschlagen, die Hände hatte er tief in den Taschen vergraben.
Dillon erkannte auf Anhieb den Profi. »Ich will sie sehen.« Er winkte mit der Walther. Rashid lächelte und nahm die Hände aus den Taschen. »Sehr gut«, sagte Dillon. »Und jetzt muß ich gehen.«
Er machte kehrt und öffnete die Tür. Makeev sagte: »Sean, seien Sie doch vernünftig. Wir wollen uns nur mit Ihnen unterhalten. Es geht um einen Job, Sean.«
»Tut mir leid, Makeev, aber ich mag die Art nicht, wie Sie Ihr Geschäft betreiben.«
»Auch nicht für eine Million, Mr. Dillon?« warf Michael Aroun ein.
Dillon hielt inne, drehte sich zu ihm um, sah ihn ruhig an und lächelte dann ausgesprochen freundlich. »Meinen Sie Pfund oder Dollar, Mr. Aroun?« fragte er und trat hinaus in den Regen.
Als die Tür zufiel, sagte Aroun: »Der ist wohl weg.«
»Überhaupt nicht«, sagte Makeev. »Ein komischer Kerl, glauben Sie mir.« Er wandte sich an Rashid. »Sie haben Ihr tragbares Telefon bei sich?«
»Ja, Colonel.«
»Gut. Folgen Sie ihm. Bleiben Sie an ihm kleben. Wenn er irgendwo einkehrt, rufen Sie mich an. Wir sind in der Avenue Victor Hugo.«
Rashid sagte kein Wort, sondern machte sich sofort auf den Weg. Aroun holte seine Brieftasche hervor, zog einen TausendFranc-Schein heraus und legte ihn auf die Bar. Zu dem Bar keeper, der völlig durcheinander zu sein schien, sagte er: »Wir haben Ihnen zu danken«, dann wandte er sich um und folgte Makeev nach draußen.
Während er sich hinter das Lenkrad der schwarzen Merce des-Limousine schob, sagte er zu dem Russen: »Er hat nicht einen Moment gezögert.«
»Ein interessanter Bursche, dieser Sean Dillon«, meinte Ma keev, während sie losfuhren. »Er hat einundsiebzig zum er stenmal für die IRA eine Pistole angefaßt. Zwanzig Jahre, Michael, zwanzig Jahre, und nicht einmal hat er eine Gefäng niszelle von innen gesehen. Er war in die Mountbatten-Sache verwickelt. Dann wurde es sogar für seine eigenen Leute zu heiß, mit ihm zusammenzuarbeiten, daher ging er auf den Kontinent. Wie ich Ihnen schon sagte, er hat für jeden gearbei tet. Für die PLO, früher auch für die Rote-Armee-Fraktion in Deutschland. Für die baskischen Nationalisten, die ETA. Er hat für sie einmal einen spanischen General getötet.«
»Auch für den KGB?«
»Aber sicher. Er war für uns des öfteren tätig. Wir nehmen immer die Besten, und Sean Dillon ist genau das. Er spricht Englisch und Irisch und, falls es Sie interessiert, fließend Französisch und Deutsch, einigermaßen Arabisch, Italienisch und Russisch.«
»Und niemand hat ihn in zwanzig Jahren geschnappt. Wie kann jemand nur soviel Glück haben?«
»Weil er eine außergewöhnliche schauspielerische Begabung hat, mein Freund. Man könnte sagen, er ist ein Genie. Als Junge brachte ihn sein Vater von Belfast nach London, wo er ein
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