Die Lerche fliegt im Morgengrauen
kleinen Bistro namens Schwarze Katze, auf einem Pier. Wir warten.«
Er verstaute die Walther in seiner Manteltasche und gab Rashid das Telefon zurück. Dieser fragte: »Kommt er?«
»Natürlich.« Dillon lächelte. »Haben Sie etwa daran gezwei felt?«
Im Wohnzimmer im ersten Stock des Hauses in der Avenue Victor Hugo am Bois de Boulogne legte Josef Makeev den Telefonhörer auf und ging zur Couch, auf der sein Mantel lag.
»War das Rashid?« wollte Aroun wissen.
»Ja. Er ist mit Dillon irgendwo am Fluß. Ich hole sie ab.«
»Ich komme mit.«
Makeev schlüpfte in seinen Mantel. »Nicht nötig, Michael. Halten Sie hier die Stellung. Es dauert nicht lange.«
Er ging hinaus. Aroun nahm eine Zigarette aus einem silber nen Etui und zündete sie an. Dann schaltete er den Fernseher ein. Die Nachrichten liefen bereits. Eine Direktreportage aus Baghdad berichtete von einem Angriff von TornadoKampfbombern der britischen Royal Air Force. Es erfüllte ihn mit bitterem Zorn. Er schaltete aus, schenkte sich einen Ko gnak ein und setzte sich ans Fenster.
Michael Aroun war vierzig Jahre alt und in jeder Hinsicht ein bemerkenswerter Mann. In Baghdad als Sohn einer französi schen Mutter und eines irakischen Vaters geboren, der Offizier in der Armee war, hatte er eine amerikanische Großmutter. Durch sie hatte seine Mutter zehn Millionen Dollar und eine Reihe Ölquellen in Texas geerbt.
Sie war im gleichen Jahr gestorben, in dem Aroun sein Stu dium an der Rechtsfakultät in Harvard abschloß, und hatte alles ihrem Sohn hinterlassen, weil sein Vater, mittlerweile als General der irakischen Armee pensioniert, seinen Lebensabend lieber bei seinen Büchern im alten Haus der Familie in Bagh dad verbringen wollte.
Wie die meisten erfolgreichen Geschäftsleute hatte Aroun in diesem Fach keinerlei akademische Ausbildung genossen. Er wußte nichts von Finanzplanung oder Unternehmensverwal tung. Sein Lieblingssatz, der oft zitiert wurde, lautete: Wenn ich einen neuen Manager brauche, dann kaufe ich mir einen.
Seine Freundschaft mit Saddam Hussein hatte sich völlig natürlich aus der Tatsache ergeben, daß der irakische Präsident in seinen Anfangstagen in der Politik großzügig von Arouns Vater unterstützt worden war.
Dieser war nämlich auch noch ein wichtiges Mitglied der Baath-Partei. Das hatte Aroun eine privilegierte Position verschafft, was die Erschließung der Ölfelder des Landes betraf, und ihm zu unschätzbarem Reichtum verhelfen.
Nach der ersten Milliarde hört man auf zu zählen, lautete ein anderer Lieblingssatz. Und nun drohte ihm ein Desaster. Nicht nur die erwarteten Reichtümer aus den Ölfeldern Kuweits wurden ihm weggenommen, sondern auch der Teil seines Vermögens, der aus dem Irak stammte, versickerte infolge der massiven Luftangriffe der Alliierten, die sein Land seit dem 17. Januar mehr und mehr verwüsteten.
Er war kein Narr. Er wußte, daß das Spiel vorbei war; daß es besser nie begonnen hätte und daß Saddams Traum bereits zerschlagen war. Als Geschäftsmann rechnete er mit Prozen ten, und danach hatte der Irak in einem Bodenkrieg, der ir gendwann beginnen mußte, keine nennenswerten Chancen.
Was seine persönliche Situation betraf, so war er vom Ruin weit entfernt. Er hatte immer noch seine Anteile an den Ölquel len in den USA, und die Tatsache, daß er sowohl französischer wie auch irakischer Staatsbürger war, stellte Washington vor ein Problem. Dann waren da noch seine Schiffsflotte und der erhebliche Immobilienbesitz in verschiedenen Hauptstädten auf der ganzen Welt. Es erfüllte ihn mit Wut, wenn er allabendlich den Fernseher einschaltete und verfolgte, was in Baghdad geschah, denn er war, überraschend für einen ichbezogenen Menschen, ein Patriot. Hinzu kam die unendlich viel bedeut samere Tatsache, daß sein Vater bei einem Bombenangriff am dritten Tag des Luftkriegs ums Leben gekommen war.
Und da gab es ein großes Geheimnis in seinem Leben, denn im August, kurz nach der Invasion Kuweits durch irakische Streitkräfte, hatte Saddam Hussein persönlich Aroun zu sich befohlen. Während er vor der offenen Terrassentür saß, ein Glas Kognak in der Hand, der Regen ein monotones Prasseln auf der Terrasse, blickte er hinaus auf den abendlichen Bois de Boulogne und erinnerte sich an die Begegnung.
Eine Luftschutzübung war gerade im Gange, als er in einem Landrover der Armee durch die Straßen von Baghdad kut schiert wurde. Überall herrschte absolute Dunkelheit.
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